Der Zoff um die Zoos

Zoff Zoos
Zoff Zoos(c) EPA (STEPHEN MORRISON)
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In Deutschland wollen Tierschützer Eisbären, Elefanten und Primaten aus allen Zoos verbannen. Ein Bärendienst für Mensch und Tier, meint Knuts Kurator im Berliner Zoo.

Viele Kinder haben ein Haustier. Heiner Klös hatte einen Zoo. Sein Vater war der Direktor, die Wohnung lag vor Ort. Zwischen Pavianen, Flusspferden und Tapiren wuchs er auf. Als Kurator für Säugetiere stand er im Rampenlicht: in Eisbär Knuts kurzer, glamouröser Karriere. „Die Tiere bedeuten mir mein ganzes Leben“, bekennt der Verhaltensbiologe auf einem Spaziergang durch sein Reich. Und doch: dass der Tierschutz ins Grundgesetz aufgenommen wurde, sieht er als Fehler. „Grundgesetz ist etwas für Menschen. Da ist einfach ein Unterschied.“

Aber die Verve verwundert ihn nicht: „Tierschutz ist Emotion.“ Etwas, was zuweilen „übers Herz geht, unter Ausschluss des Verstandes“. Diese Emotion kocht in Deutschland gerade wieder hoch. Zooleiter und Tierschützer ringen um ein neues „Säugetiergutachten“. Scheinbar eine harmlose Sache: Ein Ministerium lässt Experten ausschnapsen, welche Mindestanforderungen für artgerechte Tierhaltung gelten sollen, als Richtmaß für die kontrollierenden Veterinäre. Weil die Forschung neue Erkenntnisse bringt, ist es Zeit, das Gutachten von 1996 zu überarbeiten. Doch die beteiligten Tierschutzgruppen wollen mehr. Schon beim letzten Mal hielten sie im „Differenzprotokoll“ fest: „Der Gutachtenentwurf entspricht nicht annähernd dem veränderten ethischen Verständnis vom Tier als Mitgeschöpf.“ Es dürften nur solche Tiere gehalten werden, die „artspezifische Verhaltensweisen ausleben können“. Bei Elefanten, Bären und Wölfen sei das nicht möglich. Nun stehen auch Menschenaffen auf der Liste. Das Ziel: Die Bestimmungen so zu verschärfen, dass diese beliebtesten Arten aus Tiergärten verbannt werden. Für die Zoos geht es um die Existenz, für die Deutschen um eine ihrer liebsten Freizeitbeschäftigungen.

Drei Millionen Besucher im Jahr zählt der Berliner Zoo. Doch an diesem kalten Winternachmittag ist es einsam in der animalischen Wunderwelt. Die Elefanten haben draußen nach Nüssen gescharrt, nun klopfen sie ungeduldig an die Pforten ihres Stalls. Früher wurden sie dort gehalten „wie im Zirkus“, erinnert sich Klös: „Vier Beine, zwei Ketten, sie konnten sich nicht bewegen.“ Heute sind Laufanlagen selbstverständlich. Ein Beispiel dafür, dass die Diskussionen Früchte tragen.

Wider die Langeweile. Die Seelöwen schwimmen gegen die Strömung an. Durch die Wellenanlage „arbeiten sie viel wacher und aufgeweckter“. Wo möglich, werden Gehege vergrößert. Aber „die Größe ist nur ein Faktor“. Viel wichtiger sei, den Tieren die Langeweile zu nehmen: „Wir müssen sie beschäftigen, ihren Tag füllen.“

Der Pfleger wird zum Animateur. Futter wird verstreut und versteckt. Bären und Wölfe treffen aufeinander. Auch die Besucher sind ein Außenreiz. Doch die Tiere müssen sich zurückziehen können. Was viele Gäste enttäuscht: „Wir dressieren die Menschen. Sie müssen akzeptieren, dass sie Tiere nicht sehen.“ Von den Eisbären sagen Tierschützer, sie seien Einzelgänger, die unter dem Dauerkontakt mit Artgenossen und Menschen leiden. Falsch, kontert Klös: So sind sie nur, wenn es der Überlebenskampf erfordert. Wo es genug zu fressen gibt, treten sie in Rudeln auf.

Überhaupt „sind Tiere so anpassungsfähig wie wir“. Und die Menschenaffen? Für die Grün-Abgeordnete Undine Kurth gehören sie nicht in den Zoo, weil sie wie Menschen ein Bild von sich selbst haben, es als Demütigung erfahren, wenn man sie gefangen ausstellt. „Das ist wissenschaftlich nicht begründbar“, sagt Klös.

Bei den Primaten „unterstellen wir am meisten“, aber das sei oft „ein populärwissenschaftlicher Glaube, der politisch genutzt wird“. Was sollte mit den 1200 Menschenaffen in Europas Zoos geschehen? Sie auszusetzen „wäre Mord“. Dann lieber die Freiheit einiger Individuen opfern, um die Gesamtheit zu retten. Denn Menschen „wollen nur das schützen, was sie kennen“ – und lieben gelernt haben.

Die Schimpansen klettern, schaukeln, kuscheln sich ins Heu. Wenn der Kurator kommt, der ihnen ins Gehege kommen könnte, wird imponiert und gedroht: bis hierher und nicht weiter! Solche Reaktionen machen den Experten glücklich: „Das zeigt, dass sie nicht abgestumpft sind. Sie verteidigen ihr Revier, es hat für sie einen Wert.“ Der Zoo als Heimat. Wie für Heiner Klös.

Fakten

Die Regeln. Das deutsche Tierschutzgesetz enthält nur kurze Bestimmungen zur artgerechten Tierhaltung in Zoos. Zooverbände, Veterinäre und Wissenschaftler sollen sich auf präzisierte Regeln einigen.

Die Blockade. Das „Säugetiergutachten“ wird überarbeitet. Tierschützer wollen beliebte Arten aus Zoos verbannen, die Direktoren zürnen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.02.2013)

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