Bolschoi-Startänzer gesteht Säureanschlag

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Pawel Dmitritschenko gab an, aus Rache Attentäter gedungen zu haben. Das Opfer, Sergej Filin, künstlerischer Leiter des Bolschoi-Theaters, soll Dmitritschenkos Freundin, beruflich „geschnitten“ haben.

Moskau/Wg/Ag. Er brillierte in der Rolle des brutalen russischen Zaren Iwan des Schrecklichen – und griff auch selbst zu brutalen Mitteln: Rund sechs Wochen nach dem Säureanschlag auf den künstlerischen Direktor des Moskauer Bolschoi-Theaters, Sergej Filin, hat nun ein Startänzer des weltberühmten Balletts gestanden, die Tat orchestriert zu haben: Der Solist Pawel Dmitritschenko (29), der am Bolschoi zuletzt die Titelrolle in „Iwan der Schreckliche“ tanzte, habe aus Hass gegen Filin gehandelt und einen Attentäter gedungen, gab er in der Nacht auf Mittwoch gegenüber der Polizei an.

Der Grund für die Tat, bei der Filin am 17.Jänner von einem Mann Schwefelsäure ins Gesicht geschüttet worden ist, ist laut russischen Medienberichten offenbar eine Auseinandersetzung wegen einer Frau: Filin, der durch seine Funktion enorm viel Macht hat und de facto über Aufstieg und Fall von Künstlern gebieten kann, soll Dmitritschenkos Lebensgefährtin, der Tänzerin Angelina Woronzowa,„zugesetzt“ und ihr zuletzt deren Traumrolle im Ballett „Schwanensee“ verwehrt haben.

Kurz zuvor waren am Dienstagnachmittag in Moskau zwei Männer verhaftet worden, von denen einer, ein gewisser Juri Zarutski, das Attentat vermummt ausgeführt haben soll, der andere namens Andrej Lipatow soll das Fluchtauto gelenkt haben. Beide hätten gestanden, gab die Moskauer Polizei an. Auftraggeber und Tätern drohen wegen schwerer Körperverletzung bis zu zwölf Jahre Haft. Dmitritschenko gab allerdings an, dass er den Racheakt in dieser Form und in diesem Ausmaß nicht gewollt habe; er führte freilich vorerst nicht aus, was er sich denn als Rache vorgestellt haben will.

Lob für Iwan den Schrecklichen

Ballettchef Filin (*1970) wurde in Gesicht und Augen schwer verätzt und mittlerweile in eine Spezialklinik ins deutsche Aachen gebracht. Auf seinem linken Auge könne er nach mehreren Operationen wieder einigermaßen gut sehen, berichtet die russische Regierungszeitung „Rossijskaja Gaseta“. Filin werde aller Voraussicht nach nicht dauerhaft erblinden. Das Bolschoi-Theater rechnet damit, dass er im Sommer seine Arbeit wieder aufnehmen kann.

Dmitritschenko hatte sich mit der Rolle Iwans des Schrecklichen (Regentschaft 1549–84), der wichtige Siege gegen tatarische Völker erfocht und die Basis für Russlands Ausdehnung bis tief nach Asien bzw. Sibirien hinein schuf, offenbar stark identifiziert. In Interviews lobte er die Herrschaft Iwans, der krankhaft misstrauisch war und seine (oft nur vermeintlichen) Gegner auf grausamste Art wie Kochen, Zerstückeln oder Einfrieren in Massen töten ließ; er brachte auch seinen eigenen Sohn um. Iwan sei „eine starke Persönlichkeit“ gewesen, das sei in den kriegerischen Zeiten damals aber nötig gewesen und Russland profitiere noch heute von den rauen Methoden Iwans.

Dmitritschenkos Karriere am 1776 gegründeten Bolschoi-Theater hat 2002 begonnen und steht nun vor dem Aus. Die Zustände an dem renommierten Haus werden seit jeher als sehr streng beschrieben, vor allem der Konkurrenzkampf ist extrem, weshalb Eifersüchteleien und Intrigen blühen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.03.2013)

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