Bangladesch: Katastrophe bei Fabrikseinsturz

Bangladesch: Katastrophe bei Fabrikseinsturz
Bangladesch: Katastrophe bei Fabrikseinsturz(c) REUTERS (ANDREW BIRAJ)
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Nach dem Zusammenbruch eines Hauses mit Textilfabriken in Savar nahe Dhaka wurden über 100 Leichen geborgen, viele dürften noch verschüttet sein. Warnungen vor Rissen sind missachtet worden.

Dhaka/Ag. Am Tag zuvor war ein auffälliger Riss im Mauerwerk des achtstöckigen Gebäudes gefunden worden, doch der zuständige Hausverwalter hat nur gemeint, es gebe kein Problem.

Diese Fehleinschätzung sollte sich tags darauf, als sich in dem Gebäude namens „Rana Plaza“ in Savar nahe Dhaka, der Hauptstadt von Bangladesch, wie immer rund 2000 Menschen aufhielten, bitter rächen: Um die Mittagszeit (Ortszeit) herum brachen plötzlich zuerst einige der oberen Stockwerke in sich zusammen und gleich darauf der Großteils des Gebäudes.

Zeugen, die von umliegenden Straßen her zusahen, glaubten an ein Beben. Aus dem Haus, das Textilfabriken und ein Einkaufszentrum beherbergt hatte, wurden 123 Menschen tot geborgen, vorwiegend Textilarbeiterinnen. Zudem seien laut Polizeiangaben mehr als 700 Menschen verletzt worden. In den Schuttbergen werden jedoch noch viele weitere Opfer befürchtet, für die wohl meist jede Hilfe zu spät kommen dürfte.

Bekannt schlechte Bausubstanz

Ein Polizeisprecher sagte, dass man nach Entdeckung des Risses die Fabrikbesitzer noch ausdrücklich gewarnt habe: Sie sollten vorerst keine Arbeiter in das Gebäude lassen, aus früheren Erfahrungen wisse man, dass die Bausubstanz in dem bettelarmen Land meist von auffallend schlechter Qualität sei. Doch auch die Fabrikseigner hätten die Warnung ignoriert.

Im „Rana Plaza“ sollen insgesamt fünf Textilfabriken untergebracht gewesen sein, die für bekannte Unternehmen wie „C&A“ und die US-Supermarktkette „Wal-Mart“ billige Textilien fertigten. Seitens der NGO „Clean Clothes Campaign“, die sich für menschenwürdige Bedingungen in den berüchtigten Textilfabriken Bangladeschs und anderer armer Billigproduzentenländer einsetzt, seien auch Unternehmen wie „Mango“, „Benetton“ und „Quelle“ unter den Kunden gewesen.

In Bangladeschs Textilfabriken werden Niedriglöhne von teils nur etwa 30 Euro pro Monat bezahlt, bei schlechten Arbeitsbedingungen, langen Arbeitszeiten und mangelhaften Sicherheitsvorkehrungen. Mehrfach gab es Feuer mit vielen Opfern, zuletzt im November, als mindestens 120 Arbeiter (meist Frauen) starben. Vor acht Jahren brach im selben Viertel eine Textilfabrik zusammen. Damals kamen Dutzende Menschen um.

Wichtigster Wirtschaftszweig

In Bangladesch gibt es rund 4500 Kleiderfabriken, das Land zwischen Indien und Burma mit seinen rund 152 Millionen Einwohnern ist nach China der zweitgrößte Textilproduzent, die Branche erwirtschaftet dort 80 Prozent des Jahresexports des Landes von etwa 19 Milliarden Euro.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.04.2013)

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