Neonazi-Terror: "Ich glaube an die deutsche Justiz"

Beate Zschäpe
Beate Zschäpe(c) REUTERS (MICHAEL DALDER)
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Seit Montag steht in München Beate Zschäpe wegen zehnfachen Mordes vor Gericht. Die Erwartungshaltung vor dem Prozess war enorm. Die Hinterbliebenen hoffen, dass die Richter eine bessere Figur machen als die Polizei.

Wien/München/Hd. Schwarzer Hosenanzug, helle Bluse, ein selbstsicher wirkendes Auftreten: Man könnte Beate Zschäpe glatt für eine Geschäftsfrau halten, die sich in dem nüchternen Gerichtssaal wegen Bilanzfälschung oder Untreue verantworten muss. Doch es geht an diesem Montag in Saal A101 des Oberlandesgerichts München um Mord. Um zehnfachen Mord.

Zschäpe (38) ist die einzige Überlebende der sogenannten „Zwickauer Zelle“, jenes rechtsradikalen Terroristentrios, das sich selbst „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) nannte, und das zwischen 2000 und 2007 acht türkischstämmigen und einen griechischstämmigen Einwanderer sowie eine Polizistin erschoss. Ihre Komplizen, Uwe Böhnhart und Uwe Mundlos, die nach Stand der Ermittlungen bei den Morden die Finger am Abzug hatten, töteten sich im November 2011, als ihnen die Polizei nach einem Banküberfall auf der Spur war. Die Anklage wirft Zschäpe Mittäterschaft vor, da sie an Vorbereitung und Verschleierung der Taten maßgeblich beteiligt gewesen sei.

Nur kurz wendet Zschäpe den Fotografen ihr Gesicht zu, als sie kurz vor zehn mit verschränkten Armen den Saal betritt. Bis der Prozess dann mit einer halben Stunde Verspätung endlich beginnen kann, wendet sie den Reportern den Rücken zu, unterhält sich mit ihren drei Anwälten, die die dunkelhaarige Frau ein wenig abzuschirmen versuchen.

Drei der vier Mitangeklagten, die wegen Beihilfe oder wegen Unterstützung der Gruppe vor Gericht stehen, verschanzen sich unter Kapuzen oder hinter Aktendeckeln, nur der frühere NPD-Funktionär Ralf Wohlleben zeigt sein Gesicht. Man kennt es ohnehin.

Rechter Hintergrund nicht erkannt

Die Erwartungshaltung vor dem Prozess war enorm, dementsprechend groß die Anspannung. Würde die Justiz bei der Aufarbeitung der NSU-Morde eine bessere Figur machen als die Ermittlungsbehörden im Vorfeld, denen der Terror des Neonazi-Trios über Jahre verborgen geblieben war? Die die Mordserie unter dem Label „Döner-Morde“ abhefteten und den rechtsextremen Hintergrund nicht erkannten.

Zunächst sah es nicht danach aus, die Vergabe der Journalistenplätze geriet zur Posse: Türkische Reporter, die ein besonderes Interesse an dem Prozess haben – acht der zehn Todesopfer hatten türkischen Hintergrund – waren erst leer ausgegangen, und das Gericht wollte ihnen nachträglich kein Kontingent zubilligen. Letztlich wurden 50 fixe Plätze per Los vergeben. Wer keinen erhielt, musste sich um einen regulären Besucherplatz anstellen, mancher wartete seit den Nachtstunden.

Gekommen sind an diesem Montag auch fünf Parlamentsabgeordnete aus der Türkei. Und nicht weniger als 77 Nebenkläger, die Hinterbliebenen der Ermordeten. Noch nie waren es so viele bei einem Strafprozess in Deutschland. „Ich glaube an die deutsche Justiz, und ich glaube nicht, dass ich enttäuscht werde“, sagte der Vater eines Opfers. Zu emotionalen Ausbrüchen gegenüber den Angeklagten kommt es zwar nicht, aber einigen geht die Konfrontation über ihre Kräfte: Mindestens zwei Angehörige erleiden im Verlauf dieses ersten Verhandlungstages einen Schwächeanfall.

Prozess bis 14. Mai unterbrochen

Gleich zu Beginn haben die Anwälte einen Versuch gestartet, den Prozess zu kippen: Sie stellen einen Befangenheitsantrag gegen den vorsitzenden Richter Manfred Götzl. Begründung: Dieser habe angeordnet, dass die Verteidiger vor Betreten des Gerichts durchsucht werden, während die Bundesanwälte sich dieser Prozedur nicht unterziehen müssen. „Auf den Punkt gebracht werden wir für zu dumm gehalten, um zu bemerken, dass wir etwas Verbotenes einschmuggeln“, ärgert sich Zschäpe-Anwalt Wolfgang Stahl. Doch das Gericht stellt den Antrag vorerst zurück. Bis zum 14. Mai soll darüber entschieden werden, solange bleibt der aufsehenerregendste deutsche Terrorprozess seit der RAF-Ära unterbrochen.

Auf einen Blick

Beate Zschäpe (38) ist im NSU-Prozess wegen zehnfachen Mordes angeklagt. Sie soll an der Planung der Taten beteiligt gewesen sein, die ihre Komplizen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhart an neun Einwanderern und einer Polizistin begangen haben. Die beiden töteten sich 2011 vor ihrer Festnahme. [Reuters]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.05.2013)

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