Serbien: Sehnsucht nach der Monarchie

Serbien: Sehnsucht nach der Monarchie
Serbien: Sehnsucht nach der MonarchieREUTERS
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Monarchisten und sozialistische Jugoslawien-Nostalgiker schwelgen in dem verarmten Balkanstaat in der Vergangenheit: der Königszeit und der Tito-Ära.

Belgrad. Auch ohne Krone durfte sich Serbiens verhinderter Monarch Alexander II. bei der Beerdigung seiner Vorfahren für einen Tag als der gefragteste Mann im einstigen Familienreich wähnen. „Wir wollen den König“, skandierten die Trauergäste, die neulich die Rede von Premier Ivica Dačić vor der Familiengruft auf dem Berg Oplenac in Topola, rund 70 Kilometer südlich von Belgrad, immer wieder mit wütenden Pfeifkonzerten und Sprechchören unterbrachen.

Selbst Tränen flossen an den mit serbischen Flaggen bedeckten Monarchensärgen. Gemeinsam mit seiner Mutter Marija, seiner Frau Alexandra und seinem Bruder Andrej wurden die aus Chicago überführten Gebeine von Jugoslawiens Ex-König Peter II. in heimischer Scholle neu beerdigt. Dafür mussten die Leichname erst in den USA, in Großbritannien und Griechenland exhumiert werden. Zu lange habe die Wanderschaft und das Exil seiner Vorfahren gedauert, erklärte mit unüberhörbarem britischen Akzent dessen 67-jähriger Sohn Alexander: „Sie lebten und starben an verschiedenen Orten der Welt. Nun sind sie hier, auf dem Oplenac, zwischen den Ihren.“

Wohlgelitten im Jetset

Serbische Erde soll zwar auch unter dem Londoner Hotelbett verstreut gewesen sein, in dem der ergraute Monarchenspross 1945 kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs das Licht der Welt erblickte. Doch das Land seiner Vorväter sollte der Sohn des letzten jugoslawischen Königs erst 1991 bei einer umjubelten Stippvisite erstmals kennenlernen. Denn erst der Sturz des Autokraten Slobodan Milošević im Herbst 2000 machte für den selbst erklärten Kronprinzen den Weg zur endgültigen Übersiedlung frei: Seit 2001 hat Serbien ihm zumindest das einstige Familienschloss im Belgrader Nobelstadtteil Dedinje kostenfrei zur Nutzung überlassen.

Machtlos, aber wohlgelitten darf sich der frühere Militär-Ski-Champion seitdem als Teil von Serbiens Jetset wähnen. Zwar werden seine Verlautbarungen zu Kosovo oder serbischen Sporterfolgen selbst von der heimischen Klatschpresse geflissentlich ignoriert. Und die einzige Partei, die sich für die Wiedereinführung der Monarchie einsetzt, die bürgerliche SPO des Ex-Dissidenten und früheren Außenministers Vuk Drašković, führt mittlerweile nur noch ein Schattendasein. Doch laut jüngsten Umfragen sollen sich angeblich gar 40 Prozent der Serben nach der vermeintlich guten alten Königszeit zurücksehnen – ein erstaunlicher Wert.

„Serbien fehlt ein Zar oder König“, spricht Serbiens Patriarch Irinej zumindest den national bewegten Landsleuten aus dem Herzen. Dabei war das Zeitalter von Serbiens Monarchie eher kurz – und blutig. Ob das von 1882 bis 1918 währende Königreich Serbien oder das 1941 mit der Flucht des letzten Szepter- und Kronenträgers ins britische Exil faktisch beendete Königreich Jugoslawien: Kriege und Attentate prägten Serbiens Ära der Monarchie.

Triste Realität

Es ist denn auch weniger der Wunsch, den oft belächelten Thronprätendenten Alexander zum Landesvater zu küren, als die triste Realität zunehmender Verarmung und anhaltender Emigration, die selbst jüngere Serben in der Vergangenheit schwelgen lässt. Die Sehnsucht nach einem sicheren und „normalen“ Leben lässt viele nicht nur von der lange zurückliegenden Monarchie, sondern vor allem vom sozialistischen, im Kriegsjahrzehnt der 1990er-Jahre zerfallenen Jugoslawien schwärmen.

Noch mehr Menschen als bei der Beerdigung des letzten Königs drängten sich am vergangenen Wochenende denn auch an einer anderen Gruft: Mit jugoslawischen Sternenbannern, roten Halstüchern und blauen Käppchen zogen tausende ergrauter Jungpioniere zum „Tag der Jugend“ am Marmorsarg des Partisanenführers und 1980 verstorbenen Langzeitdiktators Josip Broz „Tito“ im Belgrader Haus der Blumen vorbei. „Die zwei Gesichter Serbiens“, titelte hernach die Tageszeitung „Blic“: „Die einen beweinen Tito. Die anderen geben dem König das letzte Geleit.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.06.2013)

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