Atomprogramm: China stoppt den Bau einer Uranfabrik

Atomprogramm China stoppt einer
Atomprogramm China stoppt einer(c) REUTERS (STRINGER/CHINA)
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Das Einlenken der Regierung bedeutet keine Wende in der chinesischen Atompolitik. Trotz der Katastrophe von Fukushima 2011 forciert die Führung in Peking den Ausbau der Kernenergie.

Peking. Wenn schon keine Wahlen möglich sind, dann gibt es Protest. Den sieht das autoritäre System in China zwar auch nicht vor, und wer als Rädelsführer verdächtigt wird, dem winken zuweilen harte Strafen. Wirkung zeigen Proteste in der Volksrepublik aber dennoch.

In der südchinesischen Ortschaft Jiangmen in der Provinz Guangdong haben Bürgerproteste am Wochenende erfolgreich den Bau einer Atomanlage gestoppt. Aus Respekt vor dem Willen des Volkes habe sich die Regierung zum Abbruch des Projektes entschieden, heißt es in einer Mitteilung auf der Webseite der für Jiangmen zuständigen Stadtverwaltung von Heshan am Wochenende.

Nach Angaben der amtlichen Nachrichtenagentur Xinhua waren am Tag zuvor rund 1000 Menschen auf die Straßen von Jiangmen gezogen. Bilder von Mikrobloggern im Internet zeigen wütende Demonstranten. Sie tragen Banner und Schilder – unter anderem mit der Aufschrift: „Stoppt Atom“ und „Wir wollen Kinder, kein Atom“.

1000 Tonnen Uran im Jahr

Die staatliche Atombehörde CNNC wollte in Jiangmen, rund 100 Kilometer von der Hafen- und Finanzmetropole Hongkong entfernt, für umgerechnet rund 4,6 Milliarden Euro eine Urananreicherungsanlage errichten. Nach Plänen von CNNC sollte sie mit der Produktion von 1000 Tonnen Uran im Jahr etwa die Hälfte des Bedarfs aller chinesischen Atomkraftwerke abdecken.

Trotz der Atomkatastrophe von Fukushima 2011 im benachbarten Japan hält Chinas Führung an ihrem ehrgeizigen Nuklearprogramm fest. Bis 2020 will sie zu den bereits bestehenden 16 Atomanlagen mindestens 40 weitere Nukleareinrichtungen errichten. Es handelt sich um das derzeit größte Atomprogramm der Welt.

Zu der Demonstration hatten sich die Teilnehmer kurzfristig über soziale Netzwerke im Internet verabredet. Um im Vorfeld nicht den Verdacht der Zensurbehörden auf sich zu lenken, riefen die Initiatoren offiziell zu einem Spaziergang auf. Viele Bürger verstanden den versteckten Aufruf.

Bereits am frühen Freitagmorgen versammelten sich mehrere hundert Menschen vor dem Rathaus von Heshan. Binnen weniger Minuten sei die Menge auf über 1000 angeschwollen, berichtet ein Teilnehmer über den chinesischen Kurznachrichtendienst Weibo.

Angespannte Stimmung

Dass die Behörden so unmittelbar auf den Protest reagieren und ihre Pläne zurückziehen, hängt mit der derzeit allgemein angespannten Stimmung im Land zusammen. Chinas bisher so dynamische Wirtschaft lahmt, die Exporte gehen zurück. Die Südprovinz Guangdong, wegen ihrer vielen Fabriken auch bekannt als „Werkbank der Welt“, leidet derzeit besonders stark unter den Wachstumseinbrüchen – und die Behörden befürchten, jeglicher Unmut könnte gleich in Massenproteste ausufern. „Die Stimmung ist sehr gereizt“, sagt der Ökonom Mao Yanhua von der Sun-Yat-Sen-Universität in Guangzhou.

Allerdings sind auch die Pläne über die Urananreicherungsanlage erst sehr kurzfristig bekannt geworden. Die Lokalregierung hat erst am 4.Juni die Öffentlichkeit über das Vorhaben informiert, verbunden mit einer zehntägigen Einspruchsfrist. Für Großprojekte dieser Art gibt es auch in China eine Anhörungspflicht, und die Bürger können dem Vorhaben widersprechen. Für die Demonstranten war also Eile geboten.

Ein Hinweis auf eine allgemein atomkritische Haltung im Land dürfte der Protest von Jiangmen aber nicht sein. In China ist es in den vergangenen Jahren zwar wiederholt zu Protesten gegen große Industrieanlagen gekommen. Der Bau mehrerer Metall- und Chemiewerke ist wegen entsprechender Proteste der Bevölkerung auch bereits gestoppt worden.

Wachsendes Umweltbewusstsein

Beobachter werten diese Proteste zwar als Zeichen für ein wachsendes Umweltbewusstsein in der Bevölkerung. Das Bewusstsein der Gefahren von Atomkraft ist nach Einschätzung von Soziologen in China aber bisher dennoch nur gering ausgeprägt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.07.2013)

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