Nordkorea: „Siebenjährige wurde mit Keulen totgeprügelt“

Symbolbild Stacheldraht
Symbolbild StacheldrahtEPA
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Vor dem UN-Gremium in Seoul berichten geflohene Insassen nordkoreanischer Straflager von Gräueltaten.

Seoul/Pjöngjang/Wien. Alle Blicke sind auf Shin Dong-hyuk gerichtet, als er von der ersten kindlichen Erinnerung seines Lebens erzählt: Mit fünf Jahren musste er eine öffentliche Hinrichtung mitansehen. Später war er auch Zeuge der Exekution seiner Mutter und seines Bruders. Der Flüchtling aus dem nordkoreanischen Arbeitslager Camp 14 sowie seine Landsfrau Jee Heon-a schilderten dieser Tage vor einem UN-Gremium in Südkorea Hinrichtungen, Folter, Hungersnot und Misshandlungen im Norden.

Fünf Monate nach Gründung des UN-Ausschusses zur Untersuchung mutmaßlicher Menschenrechtsverletzungen in Nordkorea hörte die dreiköpfige Kommission unter der Leitung des australischen Juristen Michael Kirby erstmals öffentlich Überlebende und Experten an. Der Hörsaal der Yonsei-Universität von Seoul war nur spärlich besucht, lediglich einige Dutzend Zuhörer einschließlich Journalisten fanden sich ein.

Eine Siebenjährige sei mit Keulen zu Tode geprügelt worden, weil sie einige Weizenkörner gestohlen habe, erzählte Shin. Er sei daher erleichtert gewesen, als ihm, nachdem er eine Nähmaschine fallen gelassen hatte, „nur“ der Mittelfinger abgeschnitten wurde.

Der 31-Jährige wurde in Lager 14 geboren und konnte erst 2005, nach 23 Jahren, entkommen. Auf seinem Rücken trägt er noch die Narben, die er sich zuzog, als er bei seiner Flucht über den Stacheldrahtzaun kletterte. Shin schätzt die Zahl der damaligen Insassen auf 20.000 bis 30.000. Nach Angaben von Amnesty International sitzen 200.000 Menschen in nordkoreanischen Gefangenenlagern. Aufgrund von Satellitenbildern gehen Experten von sechs bis acht Konzentrations- und Arbeitslagern aus.

„Weil die Menschen in Nordkorea sich nicht wie in Syrien und Libyen auflehnen können, ist dieser Ausschuss die letzte Hoffnung“, sagte Shin.

Frösche gegen den Hunger

Ähnlich erschütternd sind die Erinnerungen von Jee Heon-a, die in einem anderen Lager einsaß. „Die Augen der Gefangenen waren ganz versunken, sie sahen aus wie Tiere“, berichtet die 34-Jährige von ihren Eindrücken. Salzige Frösche seien das Einzige gewesen, das den stetigen Hunger habe stillen können, sie wurden gesammelt, gehäutet und gegessen. Dann holt sie tief Luft und schildert in grausamen Details, wie eine Mutter gezwungen worden sei, ihr eigenes Baby zu ertränken. Ein Wache trat zur Mutter und befahl ihr, das Neugeborene kopfüber ins Wasser zu tauchen. Die Frau bat um Gnade, aber der Wärter prügelte unaufhörlich auf sie ein. Mit zitternden Händen ertränkte sie schließlich ihr eigenes Kind. Das Kindergeschrei verstummte, man sah nur noch eine Luftblase aufsteigen.

Nordkorea hat auf die Einladung zu den Anhörungen wie erwartet nicht geantwortet und dem Ausschuss zudem den Zutritt ins Land verweigert. Das Regime bestreitet jegliche Vorwürfe als „politische Verschwörungen“; damit solle Nordkorea bloß destabilisiert werden. Weitere Anhörungen sollen im Laufe des Monats folgen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.08.2013)

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