Mexiko: Aussichtsloser Krieg gegen die Mafia

Symbolbild
Symbolbild(c) REUTERS (TOMAS BRAVO)
  • Drucken

Die Polizei hat Alberto Carrillo Fuentes gefasst, den Chef des Juárez-Kartells. Doch der Drogenkrieg in Mexiko wird weitergehen. Die Verhaftungen heizen die Gewalt und Gräuel eher an.

Mexiko-stadt. Der mexikanischen Polizei ist erneut ein Schlag gegen das organisierte Verbrechen gelungen: Am Sonntag nahm sie Alberto Carrillo Fuentes fest, den mutmaßlichen Anführer des Juárez-Kartells. In Anlehnung an eine bekannte Telenovela-Figur trägt der Capo den Spitznamen „Betty la fea“ (Betty, die Hässliche). Die Verhaftung erfolgte in einer Hotelzone des an der Pazifikküste gelegenen Bundesstaates Nayarit.

Laut Angaben der Ermittler war Carrillo Fuentes aus Ciudad Juárez geflohen, weil ihm die Polizei auf den Fersen war. Außerdem hat seine Organisation den Kampf um die Vorherrschaft über die Grenzstadt gegen das Kartell von Sinaloa verloren. Die von Joaquín „Chapo“ Guzmán angeführte Gruppierung gilt als das mächtigste Syndikat Mexikos.

Der 47-jährige Alberto Carrillo Fuentes gehört einer legendären mexikanischen Verbrecherfamilie an. Sein Bruder Vicente alias „El Viceroy“ hat eineinhalb Jahrzehnte lang über das Kartell von Juárez geherrscht, ehe er sich aus dem Drogengeschäft zurückzog. Er ist noch immer flüchtig. Gegründet wurde die Organisation von einem weiteren Bruder, Amado Carrillo Fuentes alias „Der Herr der Lüfte“. Nach dem Tod des Kolumbianers Pablo Escobar wurde der älteste der Carrillo-Brüder zum wichtigsten Kokainlieferanten für den amerikanischen Drogenmarkt. Er starb 1997 unter ungeklärten Umständen während einer plastischen Operation, durch die er sein Aussehen verändern wollte.

In jüngster Zeit haben die mexikanischen Ordnungskräfte zahlreiche Drogenbosse verhaftet oder erschossen. Mitte August nahmen sie Mario Armando Ramírez Treviño alias „El Pelón“ (der Glatzkopf) fest, der das Golf-Kartell angeführt hatte. Der Chef der für ihre Brutalität berüchtigten Gruppierung „Los Zetas“, Miguel Ángel Treviño alias Z-40, war der Polizei einen Monat zuvor ins Netz gegangen. Dennoch hat die Gewalt unter dem seit Dezember 2012 regierenden mexikanischen Präsidenten Enrique Peña Nieto kaum nachgelassen. Da die Regierung keine offiziellen Zahlen über die Toten des Drogenkrieges mehr publiziert, ist die Öffentlichkeit auf Schätzungen von privaten Organisationen oder von Journalisten angewiesen. Laut dem in Tijuana publizierten Magazin „Zetas“ sind dem Gemetzel seit dem Amtsantritt Peña Nietos mehr als 13.000 Menschen zum Opfer gefallen. Andere Quellen nennen allerdings niedrigere Zahlen.

Die Verhaftung eines Drogenbosses lässt sich zwar medienwirksam ausschlachten und gibt der Regierung Gelegenheit, ihre Tatkraft zu demonstrieren. Die Mehrheit der Experten ist sich jedoch einig, dass die Ausschaltung eines Anführers Gewalt und Gräuel eher anheizt, statt sie zu mindern.

Öffentliche Enthauptungen

Fast immer kommt es unter den mittleren Befehlshabern zu Nachfolgekämpfen, oft spaltet sich das Kartell auf. Die neuen Gruppierungen bekriegen einander, kämpfen um bereits vom organisierten Verbrechen eroberte Territorien oder unterwerfen bisher verschonte Gebiete. Dabei greifen sie exzessiv zu den Terrorinstrumenten der mexikanischen Drogenmafia: Massaker, Enthauptungen, auf öffentlichen Plätzen zurückgelassene Leichenteile.

Zudem sind die nach der Festnahme eines Capo entstehenden kleineren Gruppen logistisch weniger gut in der Lage, ihr Hauptgeschäft zu betreiben – den Transport von Drogen in die USA. Stattdessen drangsalieren sie die lokale Bevölkerung: Überfälle, Menschenhandel, Schutzgelderpressungen. Allein zwischen Mai und Juli haben die Entführungen laut offiziellen Angaben um 13 Prozent zugenommen, wobei die meisten Fälle gar nicht erst angezeigt werden. Die Zahl der Diebstähle und Einbrüche ist um acht Prozent angestiegen.

Bei seinem Amtsantritt hat Peña Nieto versprochen, die Mordrate binnen eines Jahres um 50 Prozent zu senken. Er wird dieses Ziel klar verfehlen. Der mexikanische Drogenkrieg wird auf absehbare Zeit weitergehen – daran ändert auch die Festnahme von Alberto Carrillo Fuentes nichts.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.09.2013)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.