Menschenhandel: Per Mausklick in die Zwangsarbeit

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Symbolbild.Reuters
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Innerhalb der EU floriert der Handel mit der Ware Mensch. Windige Agenturen rekrutieren ahnungslose Jobsuchende, die ohne Lohn und Rechte schuften müssen.

Wien. Über eine Annonce im Internet fand die Rumänin eine Stelle in Österreich: Eine Pflegerin wurde gesucht, die einen alten Menschen zu Hause betreut. Die Bezahlung klang gut, die Arbeitsbedingungen ebenso. Doch als die Rumänin bei ihrem österreichischen Arbeitgeber ankam, wurde ihr der Reisepass abgenommen. Lohn für ihre Arbeit erhielt sie nie. Schließlich konnte die Frau die Flucht ergreifen, sie ging zur Polizei, zeigte ihren Boss an und strengte ein Gerichtsverfahren an.

„Ein klassischer Fall von Menschenhandel zum Zweck der Arbeitsausbeutung“, erklärt Evelyn Probst von der Interventionsstelle für Betroffene des Frauenhandels (LEFÖ-IBF). Die Wiener Organisation ist Anlaufstelle für Opfer des Menschenhandels und kümmert sich um die meist traumatisierten Frauen und Mädchen, wie eben auch um die Pflegerin aus Rumänien. „Die Frau ist jetzt wieder in ihrer Heimat, möchte aber wieder im Ausland arbeiten“, sagte Probst im Rahmen der Konferenz „Gemeinsam gegen Menschenhandel“ in der Diplomatischen Akademie in Wien. „Für sie ist es schwierig herauszufinden, ob Jobs auch wirklich seriös sind.“

Der EU-Bürger als Opfer

Weltweit sind rund 21 Millionen Menschen von Zwangsarbeit betroffen. Dass etwa in der Textilindustrie im fernen Bangladesch oder auf Großbaustellen für die Fußball-WM in Katar Menschen festgehalten und ausgebeutet werden, am Ende ohne Lohn dastehen, ist bekannt. Aber dass auch innerhalb der EU Menschen zur Arbeit gezwungen werden, mag weniger bekannt sein: Rund 880.000 Menschen sind laut einem Bericht der International Labour Organization allein in EU-Staaten betroffen. Und – was vielleicht ein wenig überrascht – fast alle Opfer stammen aus einem EU-Land, fallen auf zwielichtige Jobagenturen oder windige Arbeitsvermittler herein und werden in einem anderen EU-Land zur Arbeit gezwungen. Zahlen darüber, wie viele der Zwangsarbeiter auch Opfer von Menschenhandel sind, gibt es keine.

Fest steht aber: Zum überwiegenden Teil sind es Frauen (58 Prozent der Opfer sind weiblich) aus Rumänien oder Bulgarien, die in Deutschland, Italien, Frankreich – und natürlich auch Österreich – landen. Sie alle sind meist ungelernte Arbeitskräfte, trauen sich keine Verträge oder Dienstzettel zu verlangen, könnten diese vielleicht gar nicht lesen, haben keine Kenntnis über ihre Rechte und könnten diese auch nicht einfordern. Sie arbeiten als Haushaltshilfen, auf dem Bau, in Hotels und Restaurants als Putzhilfen, in der Gastronomie oder als Saisonarbeiter auf Apfelplantagen oder Paradeisfeldern.

Tags putzen, nachts anschaffen

„Oft sind die Formen der Ausbeutung auch vermischt“, sagt Oberst Gerald Tatzgern, der sich im Bundeskriminalamt um das Thema Menschenhandel kümmert. Es gebe etwa Fälle von Frauen in Österreich, die nachts zur Prostitution gezwungen werden und tagsüber in Bars oder Restaurants putzen oder Teller waschen müssen, so Tatzgern. Allerdings sei in Österreich vor allem die Bauindustrie betroffen, mit all ihren Subunternehmern, die – wenn überhaupt – Niedriglöhne zahlen, um Billigstpreise bieten zu können. In Schulung versuche man die Finanzpolizei sowie Arbeitsinspektoren zu sensibilisieren, um Opfer von Menschenhandel bei Kontrollen auf Baustellen oder in Betrieben erkennen zu können.

Nun ist jedenfalls die Zusammenarbeit mit der Privatwirtschaft gefragt. Für internationale Konzerne wird es immer wichtiger, ihre Zulieferbetriebe und die dort herrschenden Arbeitsbedingungen zu kennen. Die Vereinten Nationen sowie die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) wollen Firmen dazu bringen, freiwillig Richtlinien einzuhalten, die „saubere“ Produkte garantieren – die also ohne die Zutaten Zwangsarbeit oder Menschenhandel entstanden sind.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.10.2013)

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