"Selfie" gewinnt englische Wahl zum Wort des Jahres

Handy oder Kamera in der Hand, Arm ausgestreckt, Klick. Das Wort für die allgegenwärtige moderne Art des Selbstportraits gewinnt die englische Wahl.

Das Wort "Selfie" ist das englische Wort des Jahres. Der Ausdruck bezeichnet ein Foto, das jemand von sich selbst macht - typischerweise, um es auf soziale Netzwerke wie Twitter oder Facebook hochzuladen. Gekürt hat das Wort das renommierte "Oxford English Dictionary", das renommierteste Lexikon für englische Sprache. Das Wort "Selfie" war erstmals im Jahr 2002 in einem australischen Blog aufgetaucht.

Andere Wörter, die auf der Nominierten-Liste standen waren "twerk" (ein anstößiger Tanzstil, hierzulande spätestens bekannt gemacht durch Miley Cyrus), "binge-watch" (wenn man viel fernsieht) oder "schmeat" ("Fleisch" aus pflanzlichen Stoffen).

Im Jahr 2012 war das Wort "omnishambles" zum Sieger gekürt worden. Das Wort bezeichnet einen mehr als chaotischen Zustand.

Der Selfie-Trend treibt seltsame Blüten. Selbst Barack Obama hat keinen "Selfie Respect". Ganz im Ernst: Das Bild, das der US-Präsident mit dem britischen Premier David Cameron und der dänischen Premierministerin Helle Thorning-Schmidt bei der Trauerfeier von Nelson Mandela machte, wirkt gegen so manche Instagram-Schnappschüsse eher harmlos. (c) Screenshot people.com

Sind doch derzeit bei Teenagern Beerdigungs-Selbstporträts angesagt: Twitter

Das Prozedere ist bekannt: Den Arm, der das Handy hält, so weit wie möglich ausstrecken, damit man recht viel von sich und seiner Pracht auf das Bild bekommt. Twitter (Jimmy)

Der zweite Schritt ist die Mimik, die kommt aus der Ecke sexy-frech-saublöd. Twitter

Drittens: fotografieren, hochladen, mit einem lässigen Spruch kommentieren: "Ich habe mich nach der Beerdigung im Badezimmer fotografiert und ich denke, dass macht mich zu einer bösen Person". Twitter (haarwalker)

Ist das narzisstisch, affektiert und peinlich? Schon, aber gerade u20-Fotografen befinden sich im Selfie-Sport in guter und vor allem in großer Gesellschaft. Twitter (Bailey)

Reflexion kommt offenbar keine zustande und dreiste Trends wie das Beerdigungs-Foto wachsen wild. Instagram (Missb4811)

Und dann schafft es sogar die tote Großmutter noch auf Instagram. Twitter (Vodka)

Im Netz wird das Ich schneller zur Marke als im echten Leben - und die Marke will gepflegt werden. Dieses Phänomen hat die Weiten des Schulhofs längst überschritten. Twitter (älexandria)

Im Zentrum des Philosophicum Lech stand heuer ein artverwandter Widerspruch: Auf der einen Seite wird in diesen Tagen ein zunehmender Egoismus beklagt - die "Ich-AG" muss florieren, das "Selbst" muss verwirklicht werden ... Twitter (Adrian)

... auf der anderen Seite kann man laut Philosophicum-Gründer Konrad Paul Liessmann aber auch den Eindruck bekommen, dass die Individualität und damit die Einzigartigkeit der Menschen verschwinden. Twitter (jennifer_kucklman)

Das "Ich" werde zur Illusion erklärt, und wer nicht im Social Web seine Freunde und Adepten gefunden hat, gelte zunehmend als Außenseiter. Twitter (recovery)

Wissenschaftsminister Töchterle sagte damals zu der Frage, dass die Spannung zwischen "Ich" und "Wir", zwischen Individualismus und Kollektivismus, dem menschlichen Dasein inhärent sei. Twitter (addiee)

Explizit wies Töchterle dabei auf die griechische Philosophenschule der Stoa hin, in der der Begriff "Oikeiosis" entwickelt wurde. Dieser meint einen Prozess, in dem ein Lebewesen mit sich selbst vertraut und einig wird. Twitter (brookhailey)

Der französische Philosoph Michel Foucault habe in seiner "Selbstsorge" diesen Gedanken wieder aufleben lassen. Twitter (haihai)

Vielleicht ist das reale Netz auch löchrig geworden und "soziale" Netzwerke schaffen mit all ihren Spielregeln Ersatz. Twitter (harry i love u)

Für Miriam Meckel, sie ist Direktorin am Institut für Medien- und Kommunikationsmanagement an der Universität St. Gallen, ist dieses "Monolog-Theater unter vielen Anwesenden" eine Form von Autismus. Twitter (Grant Schofield)

Die Gefahr, dass sich die Bereitschaft zur permanenten Inszenierung des Lebens so lange aufbläst, bis man implodiert, ist nach Meckels Sicht gegeben. Twitter (thrilla)

Bei Instagram sind über 50 Millionen Aufnahmen mit dem Schlagwort #selfie markiert. Twitter

Eine Studie in England kam zu dem Ergebnis, dass es sich bei 30 Prozent aller Fotos, die 18- bis 24-Jährige mit ihren Smartphones machen, um Selbstporträts handelt. Twitter (Miranda DeMore)

In Österreich kann über das Wort des Jahres 2013 noch bis 2. Dezember im Internet abgestimmt werden. Die Ergebnisse werden von einer Fachjury unter der Leitung von Rudolf Muhr von der Forschungsstelle Österreichisches Deutsch der Universität Graz in Kooperation mit der Austria Presse Agentur am 5. Dezember veröffentlicht.

>> Zur Österreich-Wahl des Wort des Jahres

(APA/dpa)