Todesstrafe: 15 Minuten röcheln und zucken

(c) EPA (Federal Bureau Of Prisons)
  • Drucken

Dank der EU-Menschenrechtspolitik gehen den USA die Chemikalien für Hinrichtungen aus. Eine neue Tötungsmethode sorgte nun in Ohio für schauerliche Szenen.

Washington. Um genau 10.53 Uhr am Donnerstagvormittag war es überstanden: Der 53-jährige Mörder Dennis McGuire war tot. Seine Hinrichtung in einem Gefängnis im US-Bundesstaat Ohio war allerdings für die Zeugen ein schauerliches Erlebnis. Gut 15 Minuten lang röchelte, grunzte und zuckte McGuire, bevor er starb – viel länger, als das in den bisherigen drei Jahrzehnten des Vollzugs der Todesstrafe durch die Giftspritze für gewöhnlich der Fall war.

Denn McGuire, der 1989 eine Schwangere vergewaltigt und ermordet hatte, reagiert völlig unerwartet auf die erstmals eingesetzten Chemikalien. Eine Dosis des Betäubungsmittels Midazolam sollte ihn ruhig stellen, das Morphiumderivat Hydromorphone sollte ihn danach umbringen. Diese Kombination führte allerdings nicht jenen stillen Tod herbei, der seit seinem erstmaligen Einsatz in Texas im Jahr 1982 das Gewissen der amerikanischen Öffentlichkeit zu beruhigen pflegte.

Neuer Giftcocktail gesucht

Der Grund für den Einsatz dieser neuen Hinrichtungsmethode liegt in der Menschenrechtspolitik der Europäischen Union. Seit Ende 2011 dürfen europäische Pharmaunternehmen Babitursäuren nur mehr mit einer Sondergenehmigung exportieren. Diese Chemikalien werden unter anderem zur Herstellung des Betäubungsmittels Thiopental-Natrium verwendet. Und dieses Mittel wurde in amerikanischen Hinrichtungen bisher als erstes von drei Mitteln gespritzt: Thiopental zur Betäubung des Verurteilten, danach das Steroid Pancuroniumbromid, um ihn zu lähmen, und schließlich Kaliumchlorid, das zum Herzstillstand führt.

Kein Unternehmen in den USA stellt Thiopental her. Hospira, die letzte Firma, die das tat, beendete 2009 die Herstellung in ihrer Fabrik in North Carolina. Sie wollte diese Produktion nach Italien verlagern, doch die italienischen Regierung verlangte eine Garantie, dass das dort produzierte Thiopental nicht für amerikanische Hinrichtungen eingesetzt wird. Hospira konnte das nicht garantieren, und so mussten sich die US-Behörden auf die Suche nach Ersatz machen.

Doch es erweist sich schwieriger als erwartet, Menschen schmerzlos hinzurichten. Eine Zeit lang kauften die Strafvollzugsbehörden der US-Bundesstaaten Thiopental von einem zwielichtigen Zwischenhändler in London. Das verbat die US-Lebensmittel- und Arzneimittelbehörde FDA im Jahr 2012. Einige Staaten wichen auf das Barbiturat Pentobarbital aus. Dessen einziger Hersteller sitzt jedoch in Dänemark und weigerte sich rasch, sein Produkt für Exekutionen freizugeben. Missouri richtete schließlich Verurteilte mit einer Überdosis Propofol hin – jenem Betäubungsmittel, das Michael Jackson umbrachte.

Die nächste Exekution naht

Während die Justizbehörden nach dem missglückten Experiment in Ohio noch angestrengter nach neuen Wegen zum Vollzug der Todesstrafe suchen, sinkt der Zuspruch der Amerikaner. Laut der seit 1936 fortlaufenden Erhebung von Gallup waren 1994 80 Prozent für die Todesstrafe. Zwei Jahrzehnte später sind es nur mehr 60 Prozent, so wenig wie seit dem Jahr 1972 nicht mehr. Auch die Zahl der Todesurteile und Hinrichtungen sinkt ununterbrochen – und parallel dazu die Zahl der Morde, wie der Justizexperte Jeffrey Toobin neulich im „New Yorker“ zu bedenken gab. Das Argument, die Todesstrafe halte die Menschen vom Morden ab, sei folglich falsch. „Die widersprüchliche Suche nach humanen Hinrichtungen unterstreicht bloß die Absurdität der Todesstrafe in einer zivilisierten Gesellschaft“, schreibt Toobin. „Keine Technologie kann diesen Prozess weniger grotesk machen.“

Ohios Strafvollzugsbehörden werden es am 19. März dennoch erneut versuchen: An diesem Tag soll der Mörder Gregory Lott hingerichtet werden – per Giftspritze.

AUF EINEN BLICK

Seit 1982 exekutierte man in den USA Todeskandidaten mit einem dreiteiligen Giftcocktail. Das dabei verwendete Betäubungsmittel wird in den USA nicht hergestellt, sondern nur in Europa. Die EU hat auf Druck von Menschenrechtsgruppen die Ausfuhr dieses Mittels für Hinrichtungen in den USA verboten. Eine neue Kombination von Chemikalien sorgte nun Ohio für einen unerwartet langen Todeskampf des Delinquenten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.01.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Kommentare

Vielleicht reißen wir ihnen die Fingernägel aus

Wie sehr darf ein Staat jemanden quälen, um zu zeigen, dass er etwas Unrechtes getan hat?

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.