Ein Teufelsweib aus dem Gottesstaat

(c) Facebook
  • Drucken

Mahsa Ahmadi ist die erste Stuntfrau des streng religiösen Landes und wirkte beim letzten James-Bond-Film "Skyfal" maßgeblich mit. Sie sieht im Iran keine Zukunft und will in die USA.

Mit Autounfällen kann ich besser als mit Männern“, sagt sie und schmunzelt schelmisch. Mal steht Mahsa Ahmadi in hellen Flammen, mal stürzt sie von einer Brücke in einen reißenden Fluss, dann wieder läuft sie wie schwerelos an einer Hochhauswand herunter oder springt vom Hubschrauber am Bungee-Seil in die Tiefe – die 24-Jährige beherrscht eben alles, was in ihrer Branche verlangt wird.

Mahsa Ahmadi ist nämlich eine Stuntfrau – die erste im Iran und mittlerweile eine von zehn in dem Land. „Stunt 13“ heißt ihre Truppe, vor sechs Jahren von Arsha Aghdasi gegründet, einem drahtigen, energischen Mann. Heute hat seine Firma acht feste Mitarbeiter.

„Mahsa ist die Beste“, schwärmt ihr 31-jähriger Boss. In 21 iranischen Filmen hatte sie mitgespielt, bis 2012 mit dem britischen Superagenten James Bond der Welterfolg kam: Zunächst meldeten sich die Macher des Films „Skyfall“ bei den Iranern per „Like“ auf deren Facebook-Seite, wo deren Stunt-Clip mit einem Auto, das bei einem Unfall sieben Meter senkrecht in die Luft geschleudert wird, zu sehen war. Vier Wochen später kam per E-Mail eine Einladung der James-Bond-Produzenten zu Dreharbeiten in der Türkei. „Wir konnten es zuerst nicht glauben und dachten, da will uns jemand auf den Arm nehmen“, sagen Ahmadi und Aghdasi.

Tatsächlich kommt es im furiosen fünfzehnminütigen Auftakt des jüngsten 007-Abenteuers zu einem wüsten Kampf: Daniel Craig alias James Bond stürzt nach einem wüsten Kampf auf dem Dach eines fahrenden Zuges schließlich angeschossen von einer 70 Meter hohen Brücke in die Tiefe. Später rasen Autos durch Istanbuls enge Marktgassen, Passanten hechten in Panik zur Seite. Am Ende geht die wilde Verfolgungsjagd per Motorrad durch den Großen Basar quer durch die Auslagen von Gewürzen, Brokatstoffen und Geschmeide.

Ein Weltklasseabsturz

110 Stuntmen und vier Stuntwomen aus vielen Ländern waren an den Szenen beteiligt, darunter Ahmadi. Auch der spektakuläre Absturz Bonds lag in den Händen der kleinen iranischen Gast-Crew – was einer gewissen Ironie nicht entbehrt, da die Beziehungen zwischen Großbritannien und dem Iran, über den London lange eine Art Protektorat innehatte, seit Jahrzehnten nicht eben die besten sind. Die iranische Stuntcrew indes gilt weltweit als die beste im Umgang mit Fangseilen. 2013 wurde dem internationalen Stuntensemble von „Skyfall“ dann in Los Angeles ihre Weltklasse attestiert mit dem „Screen Actor Guild Award“ für die beste Stunttruppe in einem Kinofilm.

An Tagen ohne Film- oder Fernsehaufträge trainiert Ahmadi im Talar e-Wahdat, dem ehemaligen Opernhaus Teherans. Über der Bühne schwebt sie an Seilen, biegt ihren Körper, formt graziöse Figuren. Die Bewegungen beherrscht sie perfekt, bis zum 17. Lebensjahr war sie als Kunstturnerin Mitglied der Nationalmannschaft. Inzwischen hat sie ein Studium als Sportlehrerin abgeschlossen.

Das Problem mit dem Schleier

Nach der Wahl des neuen gemäßigten Präsidenten Hassan Rohani vorigen Sommer brach die Stuntpionierin ein weiteres Tabu: Als erste Frau in der Geschichte der Islamischen Republik sprang sie mit einem Fallschirm ab. „Das größte Problem bei der Arbeit im Iran ist der Hejab“, sagt Ahmadi. Jede Frau muss dort das islamische Kopftuch in der Öffentlichkeit tragen. Wenn sie im Film einen jungen Mann doubelt, bindet sie ihre Haare unter eine Mütze, „dann kriegt keiner mit, dass ich es bin“.

Mit den Moralbehörden des Gottesstaates gibt es eine Art Stillhalteabkommen. Gelegentlich treten die Stuntleute gratis in Werbefilmen für den Roten Halbmond oder die Feuerwehr auf. „Dafür macht man uns dann keine Probleme.“ Trotzdem hat Ahmadi von ihrer Heimat die Nase voll. „Ich gehe weg – hundertprozentig“, sagt sie. „Im Iran gibt es zu wenige Möglichkeiten und zu viele Verbote.“ Seit den Dreharbeiten zu James Bond steht ihr Entschluss fest. Ihre Ausreisepapiere hat sie beisammen. Sie will in die USA. „Vielleicht nach Hollywood, why not?“, sagt sie.

Das Versprechen der James-Bond-Produzenten, beim nächsten Streifen dabei zu sein, hat sie jedenfalls schon in der Tasche.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.03.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.