Südkorea: Kapitän der Unglücksfähre verhaftet

REUTERS
  • Drucken

Der Kapitän war zum Zeitpunkt des Unglücks nicht am Steuer. Indes drangen Taucher ins Innere des Wracks vor, um die fast 270 Vermissten zu finden.

Der Kapitän der havarierten südkoreanischen Fähre "Sewol" ist am Samstag in der Früh (Ortszeit) wegen Fahrlässigkeit und anderer Vorwürfe verhaftet worden. Drei Tage nach dem Untergang des Schiffs vor der Südwestküste Südkoreas setzten Rettungsmannschaften indes die Suche nach Überlebenden unter den rund 270 vermissten Insassen fort - Hoffnung gibt es aber kaum noch.

Die Staatsanwaltschaft beschuldige den 68-jährigen Kapitän Lee Jun Seok unter anderem, gegen die Dienstpflichten und das Seerecht verstoßen zu haben, berichtete die nationale Nachrichtenagentur Yonhap. Das Ermittlungsteam hatte am Freitag mitgeteilt, dass die Fähre zum Unglückszeitpunkt nicht vom Kapitän, sondern von einer wenig erfahrenen Offizierin gesteuert worden. Auch wird ihm vorgeworfen, das sinkende Schiff im Stich gelassen zu haben. Das Gericht in der südlichen Stadt Mokpo erließ außerdem Haftbefehl gegen zwei weitere Besatzungsmitglieder.

 Der 69-jährige Kapitän erklärte bei einem Termin zur Verlesung des Haftbefehls am Samstag, die Evakuierung des Schiffes aus Sicherheitsgründen verzögert zu haben. Zum Unglückszeitpunkt sei kein Rettungsschiff oder Fischerboot in Sicht gewesen. "Die Strömung war sehr stark und das Wasser war kalt", sagte der 69-Jährige. Er habe befürchtet, dass die Passagiere von der Strömung fortgerissen werden könnten.

Drei Leichen im Inneren gesichtet

Indes ging die Suche am Wrack weiter. Die Hoffnungen, noch Überlebende unter den fast 270 Vermissten zu finden, schwinden aber zunehmend. In der Nacht hätten Taucher erstmals Leichen im gesunkenen Wrack gesehen, berichtete der Rundfunksender KBS. Allerdings sei es nicht möglich gewesen, die drei Körper in einer Kabine zu erreichen. Hinweise auf Überlebende unter den rund 270 vermissten Insassen gab es bisher nicht.

Für die Taucher ist es wegen der starken Strömungen schwierig, ins Innere des Wracks vor der Südwestküste Südkoreas vorzudringen.Bei der Suche nach Überlebenden hätten Taucher zwar die Frachträume erreicht, teilte die Küstenwache mit. Mehrere Versuche, die Bereiche zu erreichen, in denen sich Passagiere aufhielten, seien jedoch gescheitert. Starke Strömungen behinderten die Rettungsbemühungen. Auch sei die Sicht unter Wasser sehr schlecht. "Nicht einmal die weiße Farbe des Schiffs können wir sehen", sagte ein Taucher. "Unsere Männer tasten sich am Rumpf entlang."

Angehörige hoffen weiter

Es sei damit begonnen worden, Luft ins Innere der Fähre zu pumpen. Angehörige der vermissten Insassen hoffen nach wie vor, dass Überlebende gefunden werden können. Es wird befürchtet, dass im Rumpf der mehrstöckigen Fähre ein Großteil der über 470 Insassen eingeschlossen wurde.

Einige der Passagiere könnten Experten zufolge den Untergang zunächst in einer Luftblase überlebt haben. Allerdings sei es angesichts der niedrigen Wassertemperatur und des schwindenden Sauerstoffs schwierig, darin mehr als zwei Tage zu überleben.

"Unsere Kinder schreien nach Hilfe"

Familien von vermissten Insassen richteten unterdessen schwere Vorwürfe gegen die Regierung. In einer Erklärung warfen sie ihr vor, nicht genug für die Rettung von möglichen Überlebenden zu tun. "Unsere Kinder schreien im eiskalten Wasser nach Hilfe, bitte helft ihnen", hieß es laut der nationalen Nachrichtenagentur Yonhap in einer Erklärung der Familien. Viele Angehörige befinden sich in der Nähe der Unglücksstelle auf der Insel Chindo.

Seit Mittwoch standen mehr als 500 Taucher zum Einsatz bereit. Allerdings waren die Bergungsarbeiten von schlechtem Wetter und der starken Strömung erschwert worden. Auch waren 150 Schiffe und fast 30 Flugzeuge im Einsatz. Am Freitag wurden zwei riesige Schwimmkräne von Werfthäfen in die Nähe der Unglücksstelle gebracht. Weitere sollen folgen. Experten diskutierten noch darüber, wie das Wrack am besten gehoben werden könnte, berichtete der staatliche Sender Arirang. Auch ein Schwimmdock könnte zur Unglücksstelle gebracht werden.

Ursache des Unglücks noch unklar

Die Fähre "Sewol" war auf dem Weg zur südlichen Insel Jeju gekentert und gesunken. An Bord waren 475 Passagiere, die meisten von ihnen Schüler auf einer Klassenfahrt. 179 Insassen wurden gerettet, 28 wurden bis Freitag tot geborgen. Die Unglücksursache ist noch unklar. Fast 270 Menschen werden noch vermisst.

Experten vermuten, dass das Schiff auf einen Felsen lief oder eine scharfe Kurve fuhr, wodurch die Ladung - darunter mehr als 150 Autos - verrutschte und das Schiff zum Kentern brachte. Es werde noch untersucht, ob es eine scharfe Kurve oder einen anderen Manövrierfehler gegeben habe, sagte Chef-Staatsanwalt Lee Seoung Yoon.

(APA/AFP/Reuters)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

International

Südkorea vermisst Gerechtigkeit

Der Untergang des Schiffs Sewol, bei dem über 300 Menschen gestorben sein dürften, stellt die südkoreanische Regierung auf die Probe. Präsidentin Park wollte das Land gerechter machen. Aber für viele wirken ihre Versprechen wie leere Phrasen.
Hinterbliebene trauert um Opfer
Weltjournal

Fährunglück vor Südkorea: Zahl der Toten steigt weiter

Seit dem Untergang der "Sewol" wurden 226 Leichen geborgen. Nach wie vor gelten 76 Personen als vermisst.
International

Nach Fähren-Unglück: Konsumfasten aus Anstand

Das Schiffsunglück mit wahrscheinlich über 300 Toten hat reale ökonomische Auswirkungen auf Südkorea. Wie ein Verständnis von Anstand den Konsum umkrempelt.
Auf dem Schiff befanden sich 325 Schüler aus der Nähe von Seoul, die zur südlichen Urlaubsinsel Cheju unterwegs waren.
Weltjournal

Fährunglück: Video zeigt Ahnungslosigkeit der Passagiere

Bis zuletzt sollen viele Passagiere nicht über den Ernst der Lage Bescheid gewusst haben - dies zeigt das Video eines Teenagers. Auch von der Flucht des Kapitäns ist ein Bild aufgetaucht.
Weltjournal

Südkorea: Premier Chung tritt zurück

Das Fährunglück wird zum Politikum. 115 Passagiere werden noch vermisst.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.