Bergsteiger verärgert: Vorerst keine Everest-Expeditionen

Der Mount Everst soll diese Saison unbestiegen bleiben. Die Sherpas wollen keine Expeditionen mehr leiten.
Der Mount Everst soll diese Saison unbestiegen bleiben. Die Sherpas wollen keine Expeditionen mehr leiten.(c) EPA/NARENDRA SHRESTHA
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Als Reaktion auf den Tod von 16 Kameraden bei einem Lawinenunglück sagen die Sherpas alle Touren in dieser Saison ab.

Nach dem schweren Lawinenunglück am Mount Everest werden die nepalesischen Bergführer nach eigenen Angaben diese Saison keine Expeditionen begleiten. "Wir haben nach einer langen Sitzung an diesem Nachmittag beschlossen, zu Ehren unserer gestorbenen Brüder unsere Bergtouren einzustellen", sagte der Bergführer Tulsi Gurung am Dienstag im Basislager.

"Alle Sherpas stehen hinter dieser Entscheidung", fügte er hinzu. Ein weiterer Sherpa sowie ein US-Bergsteiger bestätigten die Angaben. Einige der Führer haben demnach das Basislager bereits verlassen.

Hunderte Bergsteiger aus aller Welt wollten in diesem Jahr den höchsten Berg der Welt erklimmen, viele von ihnen warteten bereits im Basislager auf den Saisonbeginn. Möglicherweise müssen sie nun wieder einpacken.

16 Bergführer verschüttet

Beim bisher schlimmsten Unglück am Mount Everest waren am Freitag insgesamt 16 nepalesische Bergführer ums Leben gekommen. Sie waren in der Früh auf 5800 Metern Höhe im sogenannten Popcorn-Feld verschüttet worden, das auf der Route zum tückischen Khumbu-Eisfall liegt. Die Sherpas hatten Zelte, Seile und Lebensmittel dabei, um eine Route zum Gipfel des Everest vorzubereiten - denn Ende April beginnt üblicherweise die Bergsteiger-Saison im Himalaya.

Neun der Bergführer konnten lebend aus den Eis- und Schneemassen gerettet werden, 13 weitere wurden tot geborgen. Am Sonntag wurde die Suche nach drei zuletzt noch vermissten Bergführern endgültig eingestellt.

Verhandlungen obsolet

Als Konsequenz aus dem Drama hatten die Bergführer bereits mit Streik gedroht, sollte die nepalesische Regierung ihre Unfall- und Lebensversicherungen nicht erhöhen und keinen Hilfsfonds einrichten. Diesen Forderungen kam die Politik des Landes am Dienstag mit der Einrichtung eines Hilfsfonds für Bergsteiger nach. Mit dem Geld solle Verletzten und Familien von Verstorbenen geholfen werden, erklärten die Behörden.

Künftig sind nepalesische Bergsteiger mit mehr als 11.000 Euro versichert, dreimal so viel wie zuvor. Außerdem wird ihre medizinische Behandlung mit bis zu 3000 Euro gezahlt. Dazu werde ein Teil des Geldes verwendet, das ausländische Bergsteiger an Gebühren zahlen müssen, sagte Madhusudan Burlakot vom Tourismusministerium. Für einen Aufstieg auf den Mount Everest zahlen Bergsteiger derzeit umgerechnet 18.000 Euro. Die Sherpas waren erzürnt darüber, dass die Regierung zunächst nur rund 300 Euro Entschädigung zahlen wollte. Nun soll ihnen auch ein Denkmal gebaut werden.

An der Entscheidung der Sherpas für heuer dürfte dies jedoch nichts mehr ändern. "16 Menschen starben auf diesem Berg, gleich am ersten Tag unseres Anstiegs. Wie können wir da jetzt noch 'rauf?", fragte Gurungs Kollege Pasang Sherpa.

Schwierige Stimmung im Basislager

"Sie haben entschieden, dass es nicht nur um die Frage der Entschädigung geht. Sie haben vielmehr das Gefühl, dass sie als eine Art Denkmal für alle, die umkamen, den Mount Everest für dieses Jahr stilllegen sollten", sagte der 67-jährige ehemalige Anwalt Ed Marzec, der ursprünglich als ältester US-Bürger den höchsten Berg erklimmen wollte. Er hatte seine Pläne bereits am Montag abgesagt, weil unter den Opfern auch ein Sherpa seines Teams war.

Nicht alle Bergsteiger im Basislager haben jedoch Verständnis für die Entscheidung ihrer Bergführer. Sie haben Zehntausende Euro gezahlt, haben lange geplant, für viele war es die erste und letzte Gelegenheit, den gefährlichen Aufstieg zum 8.848 Meter hohen "Dach der Welt" zu wagen. Entsprechend mies war am Dienstag die Stimmung in dem Camp, wie Marzec berichtete. Einige Bergsteiger versuchten sogar, Druck auf ihre Sherpas auszuüben, damit sie ihnen doch noch bei ihrem Bergabenteuer beistehen.

Tourismus wichtiger Wirtschaftszweig

Zur gleichen Zeit reisten die Betreiber zweier führender Bergtouren-Unternehmen, Russell Brice und Alan Crampton, nach Kathmandu, um mit Vertretern des nepalesischen Tourismusministeriums über mögliche Lösungen zu beraten. Die Streichung aller Expeditionen hätte verheerende Auswirkungen auf Nepals Wirtschaft - die arme Himalajaregion ist stark auf die Einnahmen aus dem Tourismus angewiesen. Die Regierung hat für dieses Jahr Lizenzen für 32 Expeditionen mit insgesamt 734 Teilnehmern erteilt, darunter 400 Bergführern.

Diese verdienen pro Saison zwischen knapp 2200 und 4400 Euro. Stößt ihnen aber etwas zu, zahlen ihre Versicherungen in den allermeisten Fällen nur wenig. Seit der Erstbesteigung durch den Neuseeländer Edmund Hillary und seinen einheimischen Bergführer Tenzing Norgay im Jahr 1953 kamen bereits mehr als 300 Menschen am Mount Everest ums Leben, die meisten von ihnen waren Sherpas.

(APA/AFP)

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