Deutschland: Ins Gefängnis für ein Partyfoto

Junge Frau mit Alkohol
Junge Frau mit Alkohol(c) www.BilderBox.com (www.BilderBox.com)
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Justizminister Maas will nicht nur das Fotografieren nackter Kinder verbieten. Auch wer Betrunkene aufs Handy bannt, könnte künftig Probleme kriegen. Ein Vorbild für Österreich?

Berlin. Ob Studentenparty, Betriebsausflug oder Volksfest: Anlässe, sich unter dem Einfluss von Alkohol peinlich aufzuführen, gibt es genug. Früher haben Freunde oder Kollegen über den Ausrutscher getuschelt und gekichert, aber bald schon war er vergessen. Heute bannen eilig gezückte Smartphones jede Entgleisung auf Fotos und Videos. Die Dokumentation menschlicher Schwächen landet flugs auf Facebook und diffundiert von dort ins weltweite Netz – je skurriler und peinlicher, desto weiter und schneller. So bleiben diskreditierende Spuren, die kaum mehr zu entfernen sind.

Das ist von den Menschen, die da knipsen, posten und verlinken, nicht sehr nett. Man mag es auch moralisch verwerflich nennen. Geht es nach dem deutschen Justizminister Heiko Maas, kann dieses Verhalten aber bald auch Geld oder sogar die Freiheit kosten.

Schnapsleichen als neues Tabu

Eigentlich wollte die Große Koalition nach der Affäre um den SPD-Abgeordneten Sebastian Edathy nur Kinderpornografie schärfer ahnden. Aber im Schaffensrausch hat das Justizministerium unter Heiko Maas (SPD) in seinem Gesetzesentwurf auch den Persönlichkeitsschutz von Erwachsenen durch neue Straftatbestände gestärkt. Wer „unbefugt“ eine „bloßstellende“ Bildaufnahme von einer anderen Person erstellt, muss künftig mit bis zu einem Jahr Gefängnis rechnen. Wer solche Daten verbreitet oder öffentlich macht, dem drohen gar bis zu drei Jahre Haft. „Unbefugt“ heißt: ohne Einwilligung des Abgelichteten. Aber selbst, wenn der Fotograf vorher fragt, hilft das wenig: Die Partykanone ist oft naturgemäß nicht ganz zurechnungsfähig, und tags darauf kann sie sich an ihren weinseligen Sanktus nicht erinnern.

Fotos auf ausgelassenen Festen sind also bald besser zu meiden. Schießt der Gesetzgeber hier aus Regulierungswut über das Ziel hinaus? Das finden ausgerechnet die Grünen, die sonst selbst oft moralische Werturteile in Gesetze gießen wollen. Entsetzt zeigen sich Medienverbände. Denn an Pressefotografen, die Demonstranten oder Politiker ablichten, haben die Juristen im Ministerium kaum gedacht.

Dabei war der Anlass für die Novelle ganz konkret. „Man muss daran keinen Gefallen finden, man darf es aber“: So hatte sich Edathy trotzig dafür gerechtfertigt, dass er bei einem kanadischen Onlinehändler Nacktfotos minderjähriger Knaben gekauft hatte. Die Aussage sorgte für Empörung. Aber der Verfemte hatte in der Sache recht: In Deutschland und Österreich sind nur „Posing“-Fotos verboten, für die Minderjährige ihre Geschlechtsteile „aufreizend zur Schau stellen“. Fotos, auf denen Kinder etwa einfach nackt am Strand spielen, sind erlaubt. Man darf sie auch tauschen oder kaufen. Das empfindet Maas als Lücke, die er schließen will – indem er alle „unbefugten“ Fotos „unbekleideter“ Personen sanktionieren lässt.

Wien zeigt Interesse

Aber auch hier kollidiert der Entwurf mit Freiheitsrechten. Zwar betont Maas, dass Eltern ihre eigenen Kinder im Garten oder am Strand weiter fotografieren dürfen. Aber jeder Schnappschuss am FKK-Strand, auf dem auch Fremde ohne deren ausdrückliches Einverständnis zu sehen sind, könnte den Staatsanwalt auf den Plan rufen.

Psychologen, die Pädophile betreuen, lehnen den Entwurf aus anderen Gründen ab: Ihre Patienten bräuchten ein „Ventil“, um ihre Neigungen auszuleben, ohne jemanden zu schädigen. Noch härtere Gesetze könnten das Gegenteil von dem bewirken, was sie bezwecken: Kinder besser zu schützen. Dieses nüchterne Argument kam bei Politikern und vielen Kommentatoren nicht gut an – zu emotional aufgeladen ist dafür das Thema.

Dennoch dürfte der Entwurf, zu dem nun die anderen Ressorts Stellung nehmen, noch entschärft werden. In Österreich verfolgt man die deutsche Initiative jedenfalls mit Interesse. Justizminister Wolfgang Brandstetter sei bei diesem Thema „sehr offen“ und lasse prüfen, ob es auch hierzulande „Lücken gibt“, sagte sein Sprecher Christian Wigand zur „Presse“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.04.2014)

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