Fährunglück: Leiche von erstem Hilferufer gefunden

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Drei Minuten vor der Besatzung hat ein Schüler einen Notruf abgesetzt, indem er völlig verängstigt sagte, dass die Fähre sinke. Die Zahl der Toten ist unterdessen auf mehr als 180 gestiegen.

Neun Tage nach dem Untergang der südkoreanischen Fähre "Sewol" ist die Zahl der geborgenen Todesopfer auf mehr als 180 gestiegen. Hunderte Taucher suchten auch am Freitag im Wrack vor der Südwestküste des Landes nach Vermissten. Am Abend zuvor hatten nach Berichten des südkoreanischen Fernsehens Angehörige die Ausweitung der Bergungsaktion und den Einsatz von mehr zivilen Tauchern gefordert.

Rund 120 Insassen gelten weiter als vermisst. An Bord hatten sich 476 Menschen befunden - die meisten von ihnen Schüler auf einem Ausflug.

Unterdessen bricht sich der Ärger unter den Verwandten der weiterhin vermissten Opfer immer stärker Bahn. Etwa 20 Menschen drangen am Donnerstag in das Büro des Vizechefs der Küstenwache, Choi Sang Hwan, ein.

Die wütenden Angehörigen zerrten Choi aus seinem Büro, zerrissen sein Hemd und schlugen ihm ins Gesicht und in den Nacken. Sie warfen ihm lautstark vor, sie hinsichtlich der Rettungs- und Bergungsbemühungen von Anfang an belogen zu haben. Der Beamte wurde festgehalten, bis Mitarbeiter ihm zu Hilfe eilten und sich von den Angehörigen über die Anstrengungen der Behörden befragen ließen.

Hilferufer von Eltern identifiziert

Im Wrack des gesunkenen Schiffs fanden Taucher am Donnerstag die Leiche des Schülers, der noch vor der Besatzung einen Notruf abgesetzt hatte. Völlig verängstigt hatte er berichtet, dass die Fähre sinke. Er sei von seinen Eltern identifiziert worden, berichtete die Nachrichtenagentur Yonhap.

Der Anruf des Schülers heizte den Ärger über die späte Reaktion von Kapitän und Besatzung weiter an. Die "Sewol" war vor einer Woche auf dem Weg zur Insel Jeju mit 476 Menschen an Bord gekentert und später gesunken. 174 Insassen wurden gerettet, darunter der 69-jährige Kapitän und zwei Drittel seiner Besatzung. Die Zahl der bestätigten Todesopfer stieg am Freitag auf mehr als 180, etwa 120 galten noch als vermisst. Ihre Bergung in dem trüben Wasser ist äußerst mühsam.

Bergungsarbeiten an südkoreanischer Fähre.
Bergungsarbeiten an südkoreanischer Fähre.(c) APA

An Bord der Unglücksfähre befanden sich 352 Schüler einer Mittelschule der Stadt Ansan sowie rund ein Dutzend ihrer Lehrer, die zu einem Ausflug auf die Urlaubsinsel Jeju wollten. Nur 75 der Jugendlichen überlebten das Unglück.

Nach Angaben von Gerichtsmedizinern wollen einige Eltern der getöteten Schüler eine Obduktion verlangen, um die genaue Todesursache festzustellen. Sie glauben, dass ihre Kinder möglicherweise zunächst in Lufteinschlüssen überlebt haben und möglicherweise nicht gestorben wären, hätten die Bergungsarbeiten nicht so lange gedauert. Bis die Taucher zu den ersten Leichen vordrangen, vergingen vier Tage.

Die Umstände des Unglücks sind noch nicht aufgeklärt. Sieben Crew-Mitglieder wurden verhaftet, darunter Kapitän Lee Joon Seok. Sie sollen die Evakuierung verzögert und die Passagiere im Stich gelassen haben, weil sie frühzeitig das Schiff verließen. Vier weitere Besatzungsmitglieder sind festgenommen, aber bisher noch nicht angeklagt. Sie wurden am Donnerstag im Fernsehen gezeigt. Einer von ihnen, der leitende Maschinist der "Sewol", sagte aus, er habe vor dem Unglück keine technischen Probleme festgestellt

Ursache unklar: Eltern fordern Obduktion

Nach Angaben von Gerichtsmedizinern wollen einige Eltern der getöteten Schüler eine Obduktion verlangen, um die genauen Todesursachen festzustellen. Sie glauben, dass ihre Kinder möglicherweise zunächst in Lufteinschlüssen überlebt haben und noch am Leben sein könnten, hätten die Bergungsarbeiten nicht so lange gedauert. Bis die Taucher zu den ersten Leichen vordrangen, vergingen vier Tage.

Bei der Ursachensuche gehen die Ermittler einem möglichen Defekt an der Ruderanlage nach. Die Besatzung habe zwei Wochen vor dem Unglück ein Problem an der Steuerung festgestellt und eine Reparatur beantragt, berichtete der Fernsehsender Arirang. Die Ruderanlage habe "kein Strom" gemeldet. Der Defekt sei aber offenbar nicht behoben und die Fähre nicht aus dem Verkehr gezogen worden. Die Ermittler gehen Problemen am Ruder nach, weil eine abrupte Kursänderung dazu geführt haben könnte, dass die Ladung verrutschte und das Schiff in Schieflage geriet.

(APA/AFP)

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