Die letzten Tage im Hotel Intourist

Aus dem Zentrum Moskaus verschwindet ein Symbol der sowjetischen Epoche.

MOSKAU. Das viereckige Gebäude des Hotels Intourist ist außen mit bunten Lichtgirlanden geschmückt, doch drinnen herrscht Trauerstimmung. Der letzte Gast hat das 22stöckige Haus verlassen. In den schwach beleuchteten Gängen trifft man nur noch auf Beschäftigte, die Inventar zählen und für den Verkauf vorbereiten. Mit Journalisten will niemand sprechen.

30 Jahre hat der schlichte Bau auf dem Buckel. Für manche ist das Hotel ein fauler Zahn, für andere ein Symbol der sowjetischen Epoche. Geschäftsführer Wladimir Wionzek meint, das Hotel hätte erst in 100 Jahren seine Ressourcen verbraucht. Die Moskauer Stadtregierung entschloß sich dennoch, das einzige preiswerte Hotel im Zentrum der Stadt abzureißen. Diese Prozedur wird ein Jahr dauern. Dann soll auf dem 34.000 m2 großen Gelände der Bau eines zehngeschossigen High-Class-Hotels beginnen.

Das Intourist verfügt über 433 Doppelzimmer. In der 20. Etage konnte man um 270 Dollar zweigeschossige Luxus-Apartments mieten. Das Hotel könne mit Stolz auf seine Geschichte blicken, meint der scheidende Hotel-Boß. Zu den Gästen gehörten Gina Lollobrigida und der französische Kosmonaut Jean-Luc Chretien.

Der Geschäftsführer erzählt, daß bei der Entscheidung der Stadtregierung großes Geld im Spiel gewesen ist. Für die mehr als 480 Beschäftigten müssen jetzt neue Arbeitsplätze gefunden werden. "Unser Hotel war mit 87 Prozent bestens ausgelastet. Ein Doppelzimmer kostete 70 Dollar." Eine Unterkunft in Sichtweite des Kreml zu diesem Preis war in Moskau einzigartig.

Die ebenfalls im Zentrum gelegenen Hotels Metropol und National hatte die Stadtregierung mit Investoren Anfang der 90er Jahre auf High Class-Level gebracht. Dort zahlt man 250 Dollar pro Nacht und mehr. Wionzek mutmaßt, daß der Bombenanschlag vom April 1999, der im 20. Stock ein metergroßes Loch in die Außenwand des Intourist riß, die Entscheidung beschleunigt hat. "Nach dem Anschlag sank die Auslastung auf 20 Prozent. Erst nach einem Jahr hatten wir uns wieder errappelt." Täter und Auftraggeber des Anschlags wurden übrigens bis heute nicht gefaßt.

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