Frauenbeschneidung unter Strafe

(c) EPA (Amr Nabil)
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Ägypten. Gesundheits- ministerium verbietet Verstümmelungs- praxis. Konservative Scheichs setzen bereits zum Gegenschlag an.

Kairo. Die in Ägypten weitverbreitete Praxis der Frauenbeschneidungen soll künftig verboten und unter Strafe gestellt werden. Das verkündete der ägyptische Gesundheitsminister Hathem Al-Gebali: „Jede Art von Frauenbeschneidung wird nun bestraft“, warnen Offizielle aus dem Gesundheitsministerium in Kairo nun alle Ärzte in öffentlichen und privaten Einrichtungen.

Durch das Dekret des Ministeriums soll eine seit einem Jahrzehnt geltende Gesetzeslücke geschlossen werden, laut der die Beschneidung der Klitoris „auf ärztlichen Rat hin“ erlaubt war. An der Mehrheit der Ägypterinnen – Musliminnen und Christinnen – wird die seit pharaonischen Zeiten bekannte Verstümmelungspraxis bis heute vollzogen.

Dass das Gesundheitsministerium nun das seit Jahren von Frauen- und Menschenrechtsgruppen geforderte Verbot endlich durchsetzen will, ist auch das Ergebnis eines öffentlichen Aufschreis, nachdem vergangene Woche ein 12-jähriges Mädchen in der südägyptischen Provinz Minya während der Operation gestorben war. Die Obduktion ergab, dass das Mädchen an einer Überdosis der Narkosemittel starb.

„Gewalt gegen Kinder“

Ägyptens First Lady Susan Mubarak bezeichnete die Praxis als „körperliche und seelische Gewalt gegen Kinder, die endlich ein Ende haben muss“. Der islamische Großmufti und der Papst der christlichen Kopten des Landes gingen an die Öffentlichkeit und erklärten, dass die Frauenbeschneidung weder im Koran noch in der Bibel irgendwelche Grundlagen habe. „Die Mädchen tragen physischen und psychischen Schaden davon, und das entspricht nicht den islamischen Werten“, schlussfolgert der Mufti des Landes Ali Gumaa in einem Fatwa: „Die Frauenbeschneidung ist ein Angriff auf die Persönlichkeit, und die Täter müssen bestraft werden“, heißt es dort. Der Mufti argumentiert mit einem Hadith, einer Aussage des Propheten Muhammad: „Verletze andere nicht, und verletzte dich nicht selbst“.

Doch einige konservative Scheichs holen bereits zum Gegenschlag aus und führen Aussagen des Propheten an, laut denen dieser die Praxis angeblich gutgeheißen haben soll. „Schneide nicht zu viel weg“, heißt es in einer anderen, allerdings oft als unsicher angesehenen Überlieferung des Propheten.

Es gehe um die Ehre der Frau, führt Scheich Abdel Aleem Ramadan, der Imam einer bekannten Moschee in der Nähe der Pyramiden, das übliche Argument ins Feld. „Wenn es Unfälle bei der Operation gibt, dann heißt das noch lange nicht, dass die Praxis verboten werden muss“, meint Scheich Abdel Tawab Al-Mungy, prominentes Mitglied der islamischen Azhar Universität in Kairo. Er ruft alle Eltern dazu auf, die Meinungen der Regierungsbeamten zu ignorieren und notfalls in den Sudan zu reisen und dort die Operation durchführen zu lassen, „um die Mädchen zu säubern“.

Der ehemalige Dekan der Al-Azhar, Monem Abdel Halim Mahmud, bezeichnete das neue ministerielle Verbot als ein „diktatorisches Dekret“.

Theorie und Praxis

Die Ärztin Muwahib Al-Mouelhy, die schon seit Jahren in der Kairoer „Frauenbeschneidungs-Task-Force“ gegen die Verstümmelung kämpft, sieht die neue Initiative als „positiven Schritt nach vorne“. Es sei richtig, Ärzte, die die Operation durchführen, zu kriminalisieren. Sie warnt aber, dass auch in Zukunft eine große Lücke zwischen den offiziellen Regelungen und der tatsächlichen Praxis klaffen werde, zumal der Brauch zu verbreitet sei. „Schließlich können wir nicht jedem Arzt einen Polizisten zur Seite stellen.“ Ermutigend findet sie aber, dass im religiösen Establishment des Landes ein langsames Umdenken stattfindet.

STATISTIK

96 Prozent der verheirateten Frauen in Ägypten gaben in der letzten landesweiten Gesundheitsumfrage 2005 an, beschnitten zu ein. 68 Prozent erklärten, dass sie auch ihre Tochter beschneiden lassen würden; Tendenz sinkend.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.07.2007)

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