Prostitution: Billiger Sex gleich hinter der Grenze

(c) AP (Natacha Pisarenko)
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Freier aus Österreich kurbeln das Sex-Geschäft im tschechischen Grenzraum an. Sie nutzen die Anonymität des Auslands, um ihre Fantasien auszuleben.

Znaim. Kaum hat man die österreichische Grenze passiert, springen sie einen an, die grellen Werbeschilder. Spärlich bekleidete Frauenkörper buhlen an den Schildern entlang der E55 im Süden Tschechiens um männliche Kundschaft. „Moulin Rouge“, „Villa Rose“, „Café Bar Non-Stop“, „Club Scandaleux“. Manchmal ist es auch nur ein rote Rose, die den Weg weist. Den Weg ins nächste Bordell.

Kaum 100 Kilometer von Wien entfernt blüht in der tschechischen Grenzregion bei Znaim das Geschäft mit billigem Sex ab 20 Euro aufwärts. In der 35.000-Einwohner-Stadt, die trotzig über der Thaya thront, florieren knapp 40 als Pensionen, Clubs und Bars getarnte Bordelle und ein Straßenstrich – dank der Sextouristen aus Österreich. Die Bordell-Besitzer und Zuhälter haben sich längst auf ihre Klientel aus Österreich eingestellt. „Neue Mädchen eingetroffen“, preisen sie auf Deutsch ihre „Ware“ an. Mehr als 90 Prozent der Freier reisen aus dem Wiener Raum und den angrenzenden Bezirken aus Nieder- und Oberösterreich an – an Spitzentagen an die 300 Männer. Für schnellen, billigen Sex tauchen sie in die Anonymität des Auslands ein.

„Die meisten der Freier sind äußerst brave Familienväter, die oft ein emotionales und sexuelles Kommunikationsproblem haben“, meint Rainer König-Höllerwöger vom Wiener Institut für psychosoziale Fragen (IPS). Der Sexualforscher untersucht seit einem Jahr im Auftrag der Europäischen Union die Rotlichtszene im tschechischen Grenzgebiet und kennt das Milieu wie kein anderer. Mit der Bewilligung des EU-Projekts haben die Behörden zumindest indirekt zugegeben, ein Problem mit der wuchernden Prostitution zu haben, vielleicht auch mit Kinder- und Zwangsprostitution. Durch Schulungen sollen nun tschechische und österreichische Behörden vernetzt werden. Immerhin geht es um ein gemeinsames Problem – tschechisches Angebot und österreichische Nachfrage.

Auf den besonderen Kick aus

Ein zerbeulter Wagen mit Wiener Kennzeichen rollt an der offenen Tür der „Bar Merlot“ vorbei. Hinter einer Sonnenbrille versteckt, versucht der Mann einen Blick auf die angepriesenen Mädchen zu erhaschen. Krampfhaft will das Bordell den Anschein eines Heurigenlokals wecken. Ein alter Hit der Zillertaler Schürzenjäger dringt ins Freie. Der Mann fährt weiter. Heute war für ihn wohl nichts dabei.

Die Männer wären großteils auf den besonderen Kick aus, weiß König-Höllerwöger. „Sie wollen ihre Fantasien ausleben. Manche Freier wollen Sex ohne Kondom. Andere sind gewalttätig“, sagt er. Davon weiß auch Olga Sedláková von der Caritas Znaim zu berichten. Die junge Sozialarbeiterin führt seit vier Jahren gemeinsam mit drei weiteren Caritas-Mitarbeiterinnen einen Kampf gegen Windmühlen: Sie bieten Prostituierten in den Clubs und auf der Straße Unterstützung an. „Immer wieder berichten Frauen, dass sie von Freiern gefesselt, geschlagen, und manchmal mit Rasierklingen geschnitten werden“, erzählt sie.

Mehr als 400 Frauen aus der Ukraine, Rumänien, Bulgarien oder Moldawien arbeiten in den Znaimer Bordellen. Die wenigsten sind Tschechinnen. Die wenigsten sind freiwillig ausgerechnet nach Znaim gekommen. Und die wenigsten schaffen es, der Gewalt der Zuhälter zu entkommen. Will jemand aus dem Rotlicht-Milieu aussteigen, dann hilft Olga Sedláková. „Wir können nur unsere Hilfe anbieten. Die Frauen müssen aber von selbst kommen.“ Bei ihren Runden durch die Bordelle verteilt sie ihre Notrufnummer – gedruckt auf Spiegel, Schmink-Utensilien und Feuerzeuge, denn jeder Papierfolder erregt Aufmerksamkeit bei den Zuhältern.

Zwischen Sucht und Syphilis

Die mobile Klinik, die einmal alle drei Monate vor den Bordellen halt macht, hat großen Zulauf. Die wenigsten haben den perfekten Körper, wie die Werbeschilder entlang der E55 suggerieren. Viele der Prostituierten sind mit Syphilis infiziert, die meisten süchtig nach Drogen oder Alkohol – oder beidem. Aids sei noch nicht so verbreitet, erklärt Sedláková trocken.

Zwangsprostitution und Sex mit Minderjährigen für ein paar Euro, ja, das komme sicherlich vor, meinen sowohl König-Höllerwöger als auch Sedláková. „Aber von Mädchen aus der Ukraine etwa hören wir dann, dass es doch hier besser sei als zuhause“, meint die Caritas-Mitarbeiterin achselzuckend.

Lange Zeit hatten die Behörden weggeschaut. So konnte sich damals noch außerhalb der EU ein Paradies für Sextouristen und Pädophile entwickeln. Trotz einiger Anläufe gibt es kein Gesetz, das die Prostitution in Tschechien regelt.

Durchlässige Grenzen

Und was Anfang 2008 passieren könnte, wenn die Grenzkontrollen nach Tschechien wegfallen, das mag sich König-Höllerweger nicht ausmalen. Dann könnten die Werbeschilder, auf denen sich Frauen räkeln, vielleicht nicht mehr nur auf Tschechien beschränkt bleiben, sondern über die Grenze nach Österreich wandern.

WISSEN

In der tschechischen Grenzstadt Znaim (35.000 Einwohner) arbeiten rund 400 Prostituierte in knapp 40 Bordellen sowie auf dem Straßenstrich. Täglich machen sich zwischen 200 und 300 österreichische Sextouristen auf den Weg in die Region.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.08.2007)

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