Amsterdam dreht das Rotlicht ab

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Den berühmten Fenster-Bordellen von Amsterdam geht es an den Kragen: Die Stadtverwaltung will das horizontale Gewerbe aus dem historischen Stadtkern vertreiben.

Amsterdam.„Incredible“, unglaublich, sagen amerikanische Touristen immer wieder, wenn sie durch das Amsterdamer Rotlichtviertel marschieren. Die Rundgänge durch das sündige Viertel der niederländischen Hauptstadt mit seinen knallrot erleuchteten Fenstern sind eine der großen Touristenattraktionen, die Amsterdam zu bieten hat. Zwei Drittel aller Touristen geben unumwunden zu, dass sie auch wegen des Rotlichtbezirks anreisen. Nicht unbedingt, um die sexuellen Dienste der dort tätigen Damen aus dem Gewerbe in Anspruch zu nehmen, sondern einfach nur um zu schauen und die Atmosphäre zwischen den Grachten auf dem Oudezijds Voorburgwal zwischen Hauptbahnhof und Damstraat kennenzulernen.

All das soll nun verschwinden. Amsterdam soll keusch und züchtig werden. Der Amsterdamer Bürgermeister Job Cohen und der für die Innenstadt zuständige Stadtrat Lodewijk Asscher wollen Tabula rasa machen und den ältesten Stadtteil Amsterdams, wo die Prostitution seit Jahrhunderten zu Hause ist, radikal säubern. Ganze Straßenzüge mit Bordellen sollen saniert und für das älteste Gewerbe gesperrt werden. Die Prostituierten müssen weg.

Geschlossen werden sollen auch zahlreiche Coffeeshops, in denen weiche Drogen verkauft werden, und ein Großteil der sogenannten „niedrigen Gastronomie“, in der sich derzeit vor allem junge männliche Touristen aus Großbritannien allabendlich im Kampftrinken üben. „Der Rotlichtdistrikt ist von der organisierten Kriminalität unterwandert. Der Frauenhandel dominiert und viele Bordelle dienen nur noch dazu, Schwarzgeld zu waschen“, begründet Bürgermeister Job Cohen seinen Feldzug gegen die sündige Meile. Damit müsse nun Schluss sein, meint er.

Widerstand gegen Sanierung

Inzwischen gibt es schon Widerstand gegen die rigorosen Sanierungspläne. Er kommt, wie zu erwarten, von der örtlichen Prostituierten-Gewerkschaft „De Rode Draad“, aber auch von zahlreichen Lokalbesitzern. „Wir sind auch gegen Frauenhandel und Geldwäsche“, sagt Mariska Majoor vom „Prostitutions-Informations-Zentrum“. „Aber das, was die Stadt hier machen will, ist kalt und unmenschlich. Eine ganze Berufsgruppe von Frauen und deren legitime Interessen werden einfach negiert. Denn es gibt eine große Gruppe von Frauen hier im Rotlichtviertel, die selbstständig arbeiten und nicht von einem Zuhälter ausgebeutet werden oder Opfer von Frauenhändlern sind.“ Die heute 37-jährige Mariska Majoor weiß, wovon sie spricht. Sie arbeitete hier früher als Prostituierte. Metje Blaak von der Gewerkschaft „De Rode Draad“ klagt: „Es ist schade, dass wir am Zustandekommen der Sanierungspläne überhaupt nicht beteiligt wurden. Wo sollen all die Frauen nur hin, wenn sie hier nicht mehr arbeiten dürfen?“, fragt sie. Die Antwort liegt auf der Hand. Viele werden in die Illegalität gehen und sich dann in Lokalen anderswo in der Stadt oder auf dem Straßenstrich anbieten.

Auch inhaltlich werden die Sanierungspläne heftig kritisiert. Mit Hilfe von Investmentgesellschaften will die Stadt in den kommenden Jahren dreistellige Millionenbeträge in die Sanierung des Altstadtviertels investieren, das vielerorts tatsächlich ein Facelift gebrauchen kann. Allein das Fünf-Sterne-Hotel Krasnapolsky, hinter dem das Rotlichtviertel beginnt, hat angekündigt, 140 Millionen Euro in den Ausbau investieren zu wollen. Auf der heutigen Sündenmeile sollen dann in Zukunft edle Boutiquen Nobelmarken anbieten. Teure Restaurants sollen die derzeit im Rotlichtviertel dominierenden preiswerten „Eethuisjes“ ablösen.

Seelenloses Vergnügungsviertel

„De Wallen“, so wie die Amsterdamer ihr Vergnügungsviertel nennen, „werde dann sicher so langweilig wie der Jordaan“, prophezeit Mariska Majoor. Sie fürchtet um die Seele des Distrikts. Der „Jordaan“, das einstige Armeleute-Viertel, wurde inzwischen von den Neureichen entdeckt und besiedelt. Seither ist dort nichts mehr wie es einmal war. Die Immobilienpreise sind unbezahlbar geworden und Hauben-Restaurants bieten Menüs zu horrenden Preisen an.

WISSEN

In den Niederlanden ist seit dem Jahr 2000 Prostitution legal, Sexarbeiterinnen zahlen auch Steuern. Im Amsterdamer Rotlichtbezirk Wallen mieten Prostituierte für ein paar hundert Euro die Fenster, um sich den Kunden anzupreisen. Im Zentrum gibt es insgesamt um die 400 solcher Fenster-Bordelle. Der Großteil soll zugesperrt werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.12.2007)

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