Niederlande: Öffentliche Jagd auf Fortuyn-Mörder

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Der vorzeitig freigelassene Attentäter soll zu seiner eigenen Sicherheit außer Landes gebracht worden sein. Seine ehemaligen Nachbarn fürchten Anschläge.

Den Haag. Ein Demonstrant trägt ein T-Shirt. Darauf abgebildet ist ein Porträt von Volkert van der Graaf, dem Mann, der am 6. Mai 2002 den niederländischen Populisten Pim Fortuyn erschoss. Der Kopf von van der Graaf ist in eine Zielscheibe montiert. Darüber steht der Satz: „Die Jagdsaison ist eröffnet.“ Es ist ein unverhohlener Aufruf, Volkert van der Graaf zu liquidieren. Die Polizei schritt nicht ein. Denn ansonst verlief die Demonstration gegen die vorzeitige Haftentlassung des Fortuyn-Mörders in Rotterdam friedlich.

Einige hundert Fortuyn-Anhänger waren gekommen. Darunter heute prominente niederländische Politiker und frühere Fortuyn-Mitstreiter wie der Rotterdamer Stadtrat Roland Sorensen, der Fortuyn-Bruder Simon und der frühere Fortuyn-Chauffeur Hans Smolders. Auch Fleur Agema kam. Sie ist hinter Geert Wilders die Nummer zwei in der rechtsgerichteten islam- und europakritischen Partei der Freiheit (PVV), die sich als Erbin der Fortuyn-Bewegung von 2002 versteht. Die Botschaft der Demonstranten war klar: Man sei nicht einverstanden, dass der Fortuyn-Mörder nach der Verbüßung von zwei Dritteln seiner 18-jährigen Haftstrafe vorzeitig aus dem Gefängnis entlassen wurde.

Versteck in Deutschland?

Da der Zorn der Fortuyn-Anhänger schwer einzuschätzen ist, geht im Stadtviertel von Harderwijk, wo der Fortuyn-Mörder van der Graaf einst mit seiner Freundin Petra und seiner Tochter wohnte, die Angst um. Die Einwohner fürchten, sie könnten Opfer eines Anschlages werden. Eines Anschlages, der zwar Volkert van der Graaf gilt, der aber andere treffen könnte. Die Polizei in Harderwijk rät den Nachbarn des Hauses von van der Graaf, die Tür nicht zu öffnen, wenn verdächtige Personen klingeln.

Aber der heute 44-Jährige ist nach seiner vorzeitigen Haftentlassung aus der Justizvollzugsanstalt in Zwolle natürlich nicht in seine einstige Wohnung in Harderwijk und zu seiner Freundin Petra zurückgekehrt. Er ist mithilfe der Behörden irgendwo untergetaucht. Er erhält Personenschutz. Es kursieren zudem Gerüchte, wonach der Fortuyn-Mörder an einem geheim gehaltenen Ort in Deutschland nahe der niederländischen Grenze wohnen soll. Das deshalb, weil ihn dort wohl kaum jemand schnell erkennt und weil eine der Auflagen der Justiz darin besteht, dass van der Graaf sich einmal wöchentlich auf einer niederländischen Polizeistation melden muss.

Auf diese Art könnte er dazu schnell über die Grenze nach Holland fahren. Außerdem trägt er eine elektronische Fußfessel. Viele Städte in den Niederlanden sind für ihn Sperrgebiet. Er darf nicht nach Den Haag, Rotterdam, Amsterdam und Hilversum. Auch ein Medienverbot wurde über den Fortuyn-Attentäter verhängt. Seine Freundin Petra und die gemeinsame Tochter sind inzwischen ebenso untergetaucht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.05.2014)

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