Der gemietete Bauch: Leihmütter in Indien

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Sie leben neun Monate getrennt von ihren Familien, um das Kind einer anderen Familie auszutragen. "Wir schlafen nachts gut, denn wir tun etwas Gutes", sagt eine der Leihmütter. Kritik gibt es aus dem In- und Ausland.

Die stattliche Inderin im schwarz-grünen Sari, mit Goldarmreifen am Handgelenk, wäre so gerne Großmutter. "13 Jahre sind seit der Hochzeit meiner Tochter vergangen", erzählt sie. Und noch immer kein Enkel. Sie seufzt. "Es gab auch schon eine Missgeburt." Ihre Augen sind auf die Tür geheftet, hinter die ihre Tochter und deren Ehemann verschwunden sind.

Hinter der Kliniktür sitzt die Ärztin Nayna Patel, medizinische Direktorin der Akanksha Unfruchtbarkeitsklinik. Sie und ihr Ehemann Hitesh haben die staubige, relative unbedeutende Stadt Anand im Westen Indiens zum Ort der Hoffnung für kinderlose Paare verwandelt. Aus allen Teilen Indiens kommen sie in die 200.000-Einwohner-Stadt, aus den USA, Australien, Japan und Hongkong, um ihr Kind von einer anderen Frau austragen zu lassen. Anand ist die Stadt der Leihmütter.

6000 Euro für eine Schwangerschaft

Die jungen Frauen, die ihren Bauch für neun Monate verleihen, stammen zumeist aus der Gegend. Ihre Ehemänner sind Auto-Rikscha-Fahrer, Kleidungsverkäufer, Elektriker, Diamantwäscher oder Feldarbeiter. Der Verdienst reicht meist zum Überleben, aber für viel mehr auch nicht.

Die Klinik zahlt ihnen rund 6000 Euro für eine Schwangerschaft - das entspricht mehrere Jahre Arbeit der Ehemänner. Zumeist, erzählt Doktor Patel, investierten die Leihmütter das Geld in Bildung oder ein neues Haus. "Wenn das eigene Kind auf eine vernünftige Schule gehen soll, oder wenn man die Miete nicht mehr bezahlen kann, oder das Haus einzustürzen droht, dann sind die Frauen bereit, dieses Opfer zu bringen. Und sie machen jemand anderen glücklich."

Im Eingangsbereich der Klinik, in den langen Reihen aus roten Schalensitzen, sitzen vier der Leihmütter und warten auf ihre Routineuntersuchung. Um sie herum wuseln Krankenschwestern in blauen Kitteln, eine blondierte Medizintouristen aus den USA hetzt vorbei, während die Frauen immer wieder über ihre Bäuche streicheln. "Es ist aber nicht unser Kind, es ist das Kind der Eltern", betont Asha Damor (33), die Zwillinge für ein kanadisches Paar austrägt. "Wir schlafen nachts gut, denn wir tun etwas Gutes", sagt sie mit Nachdruck.

Bei Komplikationen wird abgetrieben

Salma Vora, 32, wird bereits zum zweiten Mal Leihmutter. Sie spare, um ihren Sohn auf ein gutes College zu schicken. "Zwar denke ich jeden Tag an das andere Kind, das ist doch ganz natürlich", sagt sie. "Doch wenn ich mit meiner eigenen Familie zusammen bin, vergesse ich es." Auch deswegen, sagte eine der Ärztinnen der Klinik, sei es so wichtig, dass Leihmütter bereits eigene Kinder hätten. Die weiteren Anforderungen: keine sexuell übertragbaren Krankheiten, Zustimmung des Ehemanns, keinerlei Ansprüche auf das Kind. "Wenn es irgendwelche Komplikationen gibt, wird abgetrieben."

Die derzeit 85 Leihmütter leben zusammen in Häusern, die die Klinik ganz in der Nähe gemietet hat. Sie sind mindestens neun Monate von ihren Familien getrennt - unter anderem, damit sie eine enge medizinische Überwachung erhalten. Vom Frühstück bis zum Schlafengehen werden sie umsorgt, sagen die Frauen. Sie lernen außerdem Sticken und Nähen, Englisch und Kochen.

"Hier geht es uns gut. Außerdem stünde ich nicht gut da, wenn die Dorfgemeinschaft alles mitbekommen würde", sagt Dharmistaben. Sie sitzt zusammen mit ihrem siebenjährigen Sohn, der gerade zu Besuch ist, auf ihrem Bett. Ihr Zimmer teilt sie sich mit zwei anderen Frauen. "Wenn meine Schwiegereltern wüssten, was ich mache, würden sie ständig hinter meinem Rücken über mich reden."

Gesellschaftlich nicht überall akzeptiert

Leihmutterschaft ist legal in Indien, aber durchaus nicht überall gesellschaftlich akzeptiert. Trotzdem boomt das Geschäft: Es gebe rund 3.000 Kliniken, die mehrere Hunderte Millionen Euro umsetzten, heißt es in einer von den Vereinten Nationen unterstützten Studie der Frauenrechtsgruppe Sama. "Indien ist das beliebteste Ziel für kommerzielle Leihmutterschaft." Im vergangenen Jahr wurden die Gesetze verschärft, seitdem dürfen Homosexuelle und Unverheiratete keine Kinder mehr austragen lassen.

Kritik wird auch aus dem Ausland laut: Im Vergleich zu einer Leihmutterschaft in Europa erhalten die Leihmütter ein sehr niedriges "Bruthonorar". Das Geschäft boomt aber, da die sogenannte In-vitro-Befruchtung in den meisten europäischen Staaten, darunter auch Österreich, gesetzlich verboten ist.

(APA/dpa)

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