Nachruf: Karlheinz Böhm (1928–2014)

File photo of Boehm answering questions during a news conference in Vienna
File photo of Boehm answering questions during a news conference in Vienna(c) REUTERS
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Karlheinz Böhm war für Millionen Äthiopier „Vater Karl“. Nun starb er 86-jährig in seinem Haus bei Salzburg.

Wien. „Austria“, sagt John und nickt wohlwollend. Er kenne jemanden aus Österreich, erzählt der Lehrer in Äthiopiens Hauptstadt, Addis Abeba, bei einer Tasse Kaffee. Er kenne ihn persönlich, er sei jemand Berühmter.

„Do you know ,Abo Karl‘?“, fragt er und erzählt seine Geschichte. Denn „Abo Karl“ – Abo heißt „Vater“ – habe er es zu verdanken, dass er die Schule abschließen konnte, sagt John. Abo Karl habe ihm den Besuch der Universität ermöglicht. Also habe er seinen ältesten Sohn Karl getauft.

Abo Karl war Karlheinz Böhm. In Äthiopien war der Österreicher nicht der Sohn des Dirigenten Karl Böhm, war nicht jener Schauspieler, dessen Paraderolle als junger Feschak – und vor allem als Kaiser Franz Joseph in den „Sissi“-Filmen – auf ihm lastete; er war nicht der Liebling der Society, die seine gescheiterten Ehen genau verfolgte und kommentierte. In Äthiopien war er Abo Karl, der Ausländer, der zuhörte, Lösungen suchte, vor Problemen nicht zurückscheute und Dinge beim Namen nannte.

Und: In Äthiopien wurde er gefeiert wie ein König. Das machen Begegnungen wie jene mit dem Englischlehrer John deutlich. In Äthiopien war es egal, welche Rollen Abo Karl in seinem früheren Leben in Europa gespielt hatte.

Karlheinz Böhm, der Gründer der Äthiopien-Hilfe Menschen für Menschen (MfM), ist am Donnerstag im Alter von 86 Jahren in seinem Haus in Grödig bei Salzburg verstorben. Ihr Mann sei für sie Vorbild und Motivation, ließ seine vierte Frau, die gebürtige Äthiopierin Almaz Böhm, mitteilen: „So schwer mich sein Verlust trifft, so sehr gibt mir der Glaube an seine Vision Kraft, sein Lebenswerk weiterzuführen.“ Die 49-Jährige war vorigen Dezember aus dem Vorstand der Organisation ausgeschieden, um sich um ihren kranken Mann zu kümmern. Dass er an Alzheimer litt, wie sein Sohn im Vorjahr in einem Interview sagte, wurde offiziell nie bestätigt.

Der Weg des Wohltäters scheint dem 1928 in Darmstadt geborenen Böhm nicht vorgezeichnet: Der Sohn des Dirigenten Karl Böhm und der Sopranistin Thea Linhard soll Pianist werden, studiert aber Anglistik und Germanistik und besucht die Schauspielschule des Burgtheaters. Nach Rollen an mehreren Theatern kommt Mitte der 1950er der Durchbruch: Als junger, fescher Kaiser verkörpert er im Nachkriegsösterreich all das, wonach sich das Publikum sehnt. Nach drei „Sissi“-Filmen an der Seite Romy Schneiders hat er genug und flüchtet ins Ausland, um diesem Image zu entkommen.

Dann kam „Wetten, dass..?“

Mit der Verkörperung des psychopathischen Serienkillers in „Augen der Angst“ („Peeping Tom“) verstört er jedoch Fans und Kritiker. Sein Intermezzo in Hollywood bleibt kurz, er kehrt nach Europa zurück. Regisseur Rainer Werner Fassbinder verhilft ihm zu einem Comeback auf der Leinwand: Insgesamt spielt Böhm in 45 Filmen. Trotz aller Erfolge bleibt Böhm ein Getriebener: Drei Ehen, aus denen er fünf Kinder hat, scheitern. Dann kommt 1981 die schicksalhafte „Wetten, dass..?“-Sendung: Eine Hungerkrise wütet in Afrika und Böhm wettet, dass nicht einmal jeder dritte Zuseher eine Mark, sieben Schilling oder einen Schweizer Franken für Menschen im Sahel spendet. Er hat recht und „gewinnt“ die Wette. Etwa acht Millionen Schilling kommen dennoch zusammen. Böhm fliegt nach Äthiopien und gründet seine Hilfsorganisation. Er ist angekommen: „Ich habe in Äthiopien meine Heimat gefunden“, hat Böhm immer wieder gesagt. Dort lernt er die Agrarexpertin Almaz kennen, mit der er einen Sohn und eine Tochter hat. 2011 übernimmt seine Frau die Leitung der Stiftung. Das Lebenswerk ihres Mannes ist längst auch das Ihre geworden – trotz aller Kritik, die es im Vorjahr von einem Großspender wegen mangelnder Transparenz gehagelt hat.

Mit offenen Armen

„Wenn ich das vergleiche: ein Menschenleben zu retten und alle Erfahrungen, die ich als Schauspieler gemacht habe – was soll ich da vermissen?“, sagte Böhm zu seinem 80.Geburtstag. Mehr als fünf Millionen Äthiopier profitieren von Böhms Lebenswerk. So wie John.

Eine Skulptur auf dem nach ihm benannten Karlsplatz in Addis Abeba zeigt Böhm so, wie ihn viele Äthiopier in Erinnerung behalten werden: mit weit geöffneten Armen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.05.2014)

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