Wo lokale Bräuche das Aids-Virus begünstigen

SWAP PROJEKT KENIA: TUMAINI SUPPORT GROUP
SWAP PROJEKT KENIA: TUMAINI SUPPORT GROUP(c) APA/ROLAND SCHLAGER
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In der Region Nyanza ist die HIV-Rate doppelt so hoch wie im Rest des Landes. Eine NGO, die dagegen ankämpft, bekommt den Life-Ball-Preis.

Eine Witwe muss nach dem Tod ihres Ehemannes mit einem der Mitglieder ihres Clans schlafen. Verweigert sie dies, wird sie von ihrer eigenen Gemeinschaft ausgeschlossen.“

Mit solchen Einblicken in lokale Bräuche versucht die Niederländerin Alie Eleveld, Mitgründerin der kenianischen NGO Swap, der „Presse“ zu erklären, wieso in einer bestimmten Provinz Kenias – in Nyanza im Westen – die Rate an HIV-Infektionen doppelt so hoch ist wie andernorts. Swap steht für „Safe Water and AIDS Project“, wurde 2005/06 gegründet und erhält diesen Samstag beim Wiener Life Ball den „Life Ball Crystal of Hope Award“, eine Ehrung für Projekte zur Aids-Forschung bzw. -Vorbeugung. Der von Swarovski gestiftete Preis beträgt 100.000 Euro.

Tatsächlich liegt die Aids-Rate in der kleinen Region am Viktoriasee bei 14 Prozent der Bevölkerung, verglichen mit 6,3 Prozent im Rest Kenias. Daran seien, sagt Eleveld, auch andere Bräuche der Lokalkultur schuld. Etwa: „Sex wird gegen Fisch gehandelt. Um ein besseres Geschäft abschließen zu können, sind Frauen (vor allem Händlerinnen, Anm.) gezwungen, Sex mit den Fischern zu haben“, erzählt die gebürtige Niederländerin. Seit gut 30 Jahren lebt sie in Ostafrika. Mehr als ein Jahrzehnt war sie in Sambia für ein HIV-Programm tätig. Dort wurde auch ihr Sohn geboren, und sie adoptierte ein AIDS-Waisenkind. 1997 zog sie nach Kenia. Der Hauptsitz ihrer Organisation ist in Kisumu am Viktoriasee, der drittgrößten Stadt Kenias.

„Mich fasziniert, dass wir durch einfache Maßnahmen HIV-infizierte Frauen darin stärken können, ihre Gesundheit selbst in die Hand zu nehmen, ihren wirtschaftlichen Status zu fördern und Stigmata zu reduzieren“, sagt Eleveld. Tatsächlich schult Swap die Frauen nicht nur in Aids-Prävention, sondern auch bei Themen wie sauberem Wasser und Hygiene.

„Als wir mit Swap begannen, realisierten wir, dass viele, die mit HIV lebten, immer mehr Zugang zu Pflege und Unterstützung hatten, aber ihre Medikamente mit verunreinigtem Wasser einnahmen.“ Durch die schlechten hygienischen Umstände, die auch das Malariarisiko steigern, wurden die Menschen krank. Ein Großteil der Bevölkerung in der Region bezieht ihr Wasser aus dem See. Deshalb begann man, Brunnen zu graben und Wasserfilter aufzustellen.

Autonomie durch Arbeit

Man machte Frauen sogar zu Unternehmerinnen. „Wir gaben ihnen Produkte, die zu besserer Gesundheit verhelfen, um sie von Haus zu Haus verkaufen, etwa Seifen, Binden, Wasserdesinfektionsmittel, Kondome, Waschmittel. Während sich ihre Gesundheit verbessert, erhalten sie so auch ein Einkommen und werden eigenständig“, sagt Eleveld, die 2013 von der damaligen holländischen Königin Beatrix zur Ritterin des Ordens von Oranien-Nassau geschlagen wurde.

Als Swap-Direktorin besteht ein Großteil ihrer Aufgaben aus Büroarbeit. Für die Arbeit in den Dörfern bildet man Mitglieder der lokalen Gemeinschaften aus. Es sei erfüllend zu sehen, wie diese Frauen sich Respekt verschaffen. Das Projekt drehe sich also nicht nur um Aids, sondern habe einen weiteren Ansatz. Man sei auch immer weniger von Spenden abhängig, da ein Teil der Tätigkeiten über die Verkäufe finanziert werde. Gleichzeitig würden das Selbstbewusstsein der Frauen, ihre Eigenständigkeit und ihr Ansehen gefördert.

Das größte Problem sei die Infrastruktur. Die Straßen in Nyanza seien unwegsam und kaum geteert. In der Regenzeit werden viele zu Schlammpisten und erschweren den Zugang zu abgelegenen Dörfern. Diesem Problem soll ein Teil des Life-Ball-Preises gewidmet werden. So will man sich etwa noch ein Auto anschaffen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.05.2014)

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