Johann Westhauser ist nach einer erfolgreichen elftägigen Rettungsaktion in die Klinik eingeliefert worden. Die Riesending-Höhle soll verschlossen werden.
Berchtesgaden. Gut 274 Stunden hatte der Höhlenforscher Johann Westhauser verletzt in der Dunkelheit verbracht. Zu Fronleichnam, um 11.44 Uhr, sah er das erste Mal nach elf Tagen wieder Sonnenlicht. Da trugen ihn seine Retter aus der Riesending-Schachthöhle bei Berchtesgaden heraus. Eineinhalb Stunden später teilte Norbert Heiland, der Vorsitzende der Bergwacht Bayern, mit, der 52-jährige Westhauser habe die Strapazen seiner tagelangen Rettung relativ gut überstanden und „ist wohlbehalten in der Klinik eingetroffen“.
Beispiellose Rettungsaktion
Der Höhlenforscher aus Baden-Württemberg war am Pfingstsonntag in 1000 Metern Tiefe – der Höhlenausgang am Untersberg befindet sich in 1800 Metern Höhe – durch Steinschlag am Kopf getroffen worden und hatte dabei ein Schädel-Hirn-Trauma erlitten.
Der Unfall löste eine beispiellose Rettungsaktion aus. Rund 200 Bergretter und Ärzte aus Deutschland, Österreich, Italien, der Schweiz und Kroatien reisten nach Berchtesgaden, um dabei mitzuhelfen, den Verletzten aus der Riesending-Höhle zu bergen.
Die letzten Abschnitte bei der Bergungsaktion waren besonders schwierig. Es galt, den Verunglückten durch einen senkrechten 180-Meter-Schacht hochzuziehen – nur mit Muskelkraft, denn der Einsatz einer Motorseilwinde wäre zu riskant gewesen. Retter hängten sich als Gegengewichte ins Seil, um die rund 100 Kilogramm schwere Rettungstrage nach oben zu ziehen; Pendelzug nennt sich diese Methode. Anschließend musste die Trage noch durch einen engen, verwinkelten Schacht transportiert werden. „Es war eine Mammutaufgabe“, fasste Bergwacht-Einsatzleiter Klemens Reindl die insgesamt elftägige Rettungsaktion zusammen.
Riesending heißt die Berchtesgadener Höhle, nachdem ein Entdecker, als er auf den Eingangstrichter gestoßen war, gesagt hatte: „Was ist denn das für ein Riesending?“ Tatsächlich ist es die größte und tiefste Höhle Deutschlands – mit einem gigantischen Gangsystem von 19 Kilometern Länge und etwa 1100 Metern Tiefe.
Minister will vorbeugen
Bayerns Innenminister, Joachim Hermann, kündigte nach der erfolgreichen Rettungsaktion noch am Donnerstag an, den Eingang der Höhle verschließen zu lassen. Er fürchte nämlich, dass jetzt Leute in ganz Europa auf die Idee kommen könnten: „Das muss ich mir jetzt anschauen, was da los war. Das kann dazu führen, dass da Leute in die Höhle einsteigen wollen, die überhaupt nicht befähigt dazu sind. Ich halte es für absolut notwendig, dem vorzubeugen.“ Der Innenminister dankte den Rettern und lobte die „vorbildliche internationale Solidarität“, die die schwierige Rettung erst möglich gemacht habe. (red.)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.06.2014)