Vom Ramadan im Sultanat Oman

OMAN RAMADAN
OMAN RAMADANEPA
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Im südarabischen Land Oman wird religiöse Toleranz gelebt: Omanis kommen zu Hochzeiten und Begräbnissen ihrer christlichen Freunde. Christen richten Iftar-Feiern für die Muslime aus.

Vierzehn Uhr im Suk von Maskat. Die letzten Omanis, die Männer in ihren weißen, bodenlangen Dishdashas, die Frauen in bodenlangem Schwarz, tragen in kleinen Säckchen Weihrauch nach Hause oder Datteln. Die meist indischen Händler, die am Vorabend offensiv Pashmina-Schals, traditionellen Schmuck und andere Touristensouvenirs feilboten, haben ihre Aktivitäten eingestellt und dösen an ihren Verkaufstheken. Kein Tourist flaniert bei 44 Grad im Schatten an den kleinen Läden vorbei. Und kein Omani wird um diese Uhrzeit etwas kaufen. Ein ganzes Land liegt in relativer Ramadan-Ruhe.

Um 14 Uhr schließen die Behörden, die Menschen begeben sich nach Hause. „Es ist eine gute Zeit, um Geduld zu lernen“, sagt Abdulrahman al-Salimi, Chefredakteur diverser Publikationen, auch kultureller Art, im Ministerium für Religion und Toleranz. „Eine gute Zeit, um anzuhalten, in sich zu gehen und etwas über sich selbst zu erfahren.“

Fünf Stunden später, wenn die Sonne untergegangen ist, findet allerorten Iftar, das Fastenbrechen, statt. Die ersten zehn Tage des Ramadan meist mit der Familie, danach bei Wohlhabenden und Reichen als Empfang für Verwandte, Freunde, Fremde.

Einladung in eine Villa in Maskat. Gut 200 Frauen haben sich eingefunden, unter ihnen nicht wenige meist aus den USA stammende zum Islam Konvertierte, sitzen beisammen, plaudern über Alltäglichkeiten, warten auf die ersten Datteln und das erste Glas echter Zitronenlimonade, mit denen das Fasten gebrochen wird.

Hinter einem Paravent noch einmal so viele Männer. Der Singsang eines Imam ertönt, der Mann erscheint auf einer Leinwand, betet Koransuren und hält dann auf Englisch eine kurze Ansprache. „Es ist derselbe Gott für Muslime, Juden, Christen. Wir glauben alle an dieselben Boten, von Abraham über Jesus, Moses bis Mohammed.“

Niemand in der riesigen Menschengruppe will jemanden bekehren, niemand fragt nach dem Glauben oder Nichtglauben der drei sichtlich westlichen Reporterinnen aus Griechenland, Portugal und Österreich. Fröhliche Frauen gehen beten, um sich endlich dem Essen zu widmen.

Viele Missverständnisse. Die zahlreichen Christen aus aller Herren Länder und 60 verschiedenen Kongregationen haben drei Areale zur Verfügung, wo sie ihre Kirchen bauten. Nur Kirchtürme gibt es nicht, man hat die bestrickend schöne omanisch-orientalische Architektur zu beachten.

„Es herrschen so viele Missverständnisse im Westen über den Islam vor.“ Douglas Leonard, Amerikaner und Mitglied der Reformkirche, schüttelt den Kopf. Er ist Direktor eines Zentrums für Dialog, spricht Arabisch und ist sattelfest in allen drei monotheistischen Religionen. Zwei Engländer meinen, es sei weit leichter, im Oman Christ zu sein als zu Hause. „In Manchester waren die Leute ignorant gegenüber Gott. Hier wissen die Menschen, dass der Schöpfer wichtig ist.“ Ob dieser Allah oder Gott genannt werde, sei von geringerer Bedeutung. Omanis kommen zu Hochzeiten und Begräbnissen ihrer christlichen Freunde und umgekehrt richten Christen Iftar-Feiern für die Muslime aus. Wer wer ist, lässt sich an den langen Speisetischen nur an der Kleidung erkennen, nicht an der Wesensart.

Der in sich ruhende Minister für Religion und Toleranz, Scheich Abdullah al-Salimi, meint, der Oman habe „die Globalisierung schon praktiziert, bevor es noch die Theorie gab“. Man sei ein Volk von Seeleuten, daher ethnisch gemischt und immer schon in Kontakt mit anderen Völkern. Immer wieder betont er, „wir sind anders als die anderen in der Umgebung, ausbalanciert, haben Selbstvertrauen, leben friedlich zusammen, kennen unsere Wurzeln und haben unsere Kultur. Wir betrachten uns als Tor zwischen Ost und West. Und wir versuchen, das Dunkel der Vorurteile gegen den Islam durch Anzünden einer Kerze zu vertreiben.“

Natürlich könne der Koran auch missbraucht werden. Selbstverständlich gebe es auch im Oman radikale Elemente. Aber offenbar keine militanten. Das Geld, das das Sultanat nicht brauche, weil man friedfertig lebe, könne man in Schulen stecken statt in die Armee. „Wir haben hier Stabilität. Wir leben im Himmel.“

Juden in der „Schweiz Arabiens“. Es leben – nach dem Exodus der autochthonen Juden mit der Gründung Israels – auch wieder Juden im Land, europäische und amerikanische, die im Oman Arbeit fanden – unvorstellbar bei den Nachbarn der „Schweiz Arabiens“. Im Oman ist die religiöse Toleranz so groß, dass Omanis für Juden, die 2012 zu einem interreligiösen Treffen angereist waren, sogar koscher kochten, inklusive neuen Essgeschirrs für die Trennung von Milchprodukten und Fleisch. Und den alten jüdischen Friedhof in Sohar, der Stadt mit dem ältesten Hafen der Region, den pflegen sie auch.

Die Reise fand auf Einladung des omanischen Ministeriums für Religion und Toleranz statt.

Fakten

Der Oman ist eine absolute Monarchie und besitzt gleichzeitig eine Verfassung. Die vom Sultan ernannten Minister und die zwei nationalen Parlamente haben nur beratende Funktion. Seit 1970 wird das Land von Sultan Qabus regiert.

Mit einer Größe von 309.500 km2 (etwa so groß wie Italien) und seinen vier Millionen Einwohnern ist der Oman ein sehr dünn besiedeltes Land. Die Mehrheit der Omanis lebt in Städten.

Rund 75% der Bevölkerung sind muslimische Ibaditen. Die restlichen 25% sind Sunniten, Schiiten und Hindus. Christen machen etwa 2,5% der Bevölkerung aus, sie sind hauptsächlich Immigranten aus Ost- und Mittelasien.

Erdöl hat dem Land zu Reichtum verholfen. 82% der Staatseinnahmen stammen aus Einnahmen des Öl- und Gasgeschäftes. Einer der wichtigsten Ausgabeposten des Landes bildet der Gesundheits- und Bildungssektor.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.07.2014)

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