USA: Zwei Stunden Todeskampf

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Zum dritten Mal im heurigen Jahr ist in Amerika eine Exekution schiefgelaufen. Die Justizbehörden experimentieren mit neuen Giftcocktails, deren Wirkungen unbekannt sind.

Washington. Mauricio Marin, ein Reporter von „Tucson News Now“, hat genau mitgezählt: 660-mal röchelte, schluckte, würgte der Mörder Joseph R. Wood III. in der Nacht auf Donnerstag, ehe das Gift wirkte und er nach exakt einer Stunde und 57 Minuten in der Todeskammer des Gefängnisses von Florence im Bundesstaat Arizona für tot erklärt werden konnte. „Gott vergebe euch allen“, waren die letzten Worte des 55-jährigen Wood, der im Jahr 1989 seine frühere Lebensgefährtin und deren Vater erschossen hatte. Troy Hayden, ein Journalist von Fox News, war ebenfalls entsetzt: „Nach einer gewissen Zeit fragte man sich, ob er jemals sterben würde.“ Woods Todeskampf habe ihn an einen Fisch erinnert, der an Land um Luft schnappt.

Experimente mit Todesgift

Das war das dritte Mal im heurigen Jahr, dass eine Hinrichtung in den Vereinigten Staaten nicht nach Plan gelaufen und dem Todeskandidaten unnötige Qualen bereitet hat. In allen drei Fällen haben die Justizbehörden neue Mischungen von Betäubungsmitteln und tödlichen Giften ausprobiert, weil ihnen nach einem Verbot durch die Europäische Union die seit Jahrzehnten verwendeten Chemikalien für die Giftspritze ausgegangen sind.

Begonnen hat es im Jänner in Ohio. Der Mörder Dennis McGuire brauchte 26 Minuten statt der üblichen zehn bis fünfzehn, um zu sterben. Zudem verlief diese Hinrichtung nicht so ruhig wie üblich: Während seines Todeskampfs röchelte McGuire laut.

Im April ging in Oklahoma eine Exekution schief. Der Mörder und Vergewaltiger Clayton Lockett brauchte 43 Minuten, um zu sterben. Auch er starb unter lautem Röcheln und Zucken. Bei der behördlichen Untersuchung dieser Hinrichtung stellte sich heraus, dass ein ungeübter Strafvollzugsbeamter den Katheder, durch den Lockett zuerst ein Betäubungsmittel und dann ein Nervengift gespritzt wurde, schlecht gesetzt hatte. Er hatte in der Bauchgrube eine Vene verfehlt, die Gifte flossen somit ins Muskelgewebe, was den Tod stark verzögerte. Präsident Barack Obama rang sich damals zwar nicht zu einer generellen Verurteilung der Todesstrafe durch, kritisierte diesen Fall aber als grausam.

Justiz hält Daten geheim

Bei der jüngsten Hinrichtung in Arizona wurde dasselbe Betäubungsmittel wie in Ohio und in Oklahoma verwendet, aber ein anderes Gift. Wood wurde ebenso wie McGuire und Lockett mit Midazolam sediert, einem Benzodiazepin, das man unter anderem zur Unterbrechung von Epilepsieanfällen verwendet. Wood erhielt danach, so wie McGuire im Jänner in Ohio, das Gift Hydromorphon. Allerdings ist auch das ein Schmerzmittel, das erst in höherer Dosierung tödlich ist. Wie die Justizbehörde von Arizona und Ohio auf die Idee kamen, diese Substanz für Hinrichtungen zu verwenden, ist unbekannt.

Und das wird es fürs Erste bleiben: Mehrere Gerichtsklagen auf Offenlegung der Argumente für die Wahl dieser Chemikalien sowie die Bekanntgabe der Hersteller wurden bisher abgeschmettert. Die Justizbehörden konnten stets erfolgreich argumentieren, dass diese Offenlegungen den Vollzug der Todesstrafe gefährden würde, weil die Hersteller aufgrund des öffentlichen Drucks aufhören würden, die Mittel dafür zu liefern.

Generell sinkt in den USA die Zahl sowohl der Todesurteile als auch der Hinrichtungen. Mehr und mehr Bundesstaaten schaffen die Todesstrafe ab, zuletzt Maryland. Das liegt an den hohen Kosten für die Unterbringung der Todeskandidaten und der schwindenden öffentlichen Unterstützung für die Höchststrafe.

AUF EINEN BLICK

Fast zwei Stunden lang kämpfte Joseph R. Wood III mit dem Tod. Erst dann starb er an einem Giftcocktail, den ihm die Beamten in der Nacht auf Donnerstag in der Todeskammer des Gefängnisses von Florence im Bundesstaat Arizona gespritzt hatten. Zuletzt war es in den USA mehrmals bei Hinrichtungen durch Injektionen zu Komplikationen gekommen. Die Mittel wirkten nicht sofort und die zum Tod Verurteilten starben langsam und qualvoll.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.07.2014)

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