Philharmoniker und Roma: Musik gegen Barrieren

(c) APA (ANDREAS TROESCHER)
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Die Künstlerin Ida Kelarova gibt Roma-Kindern die Chance, mit Musik den Sprung aus dem Elend zu schaffen. Heuer sogar unter Mithilfe der Philharmonie Prag. Diese war ganz begeistert von den jungen Stimmen.

Prag. Sie stehen in einem großen Kreis, verfolgen aufmerksam die Bewegungen der Sängerin Ida Kelarova zur Musik von Mitgliedern der berühmten Tschechischen Philharmonie, wiegen sich im Takt und singen Kinderlieder in ihrer Muttersprache, in Romanes: ein paar Dutzend Roma-Kinder in einem sonst tristen ostslowakischen Dorf. Die Kinder sind von ihren Eltern extra herausgeputzt worden. Alle haben frisch gewaschene Leibchen an, manche Blüten ins dichte, dunkle Haar gesteckt. Für die Roma-Kinder aus der Slowakei, Tschechien und Ungarn ist es wie ein großer Feiertag inmitten ihres sonst reichlich freudlosen Lebens.

Ihre Anstrengungen lohnen sich: Die Musikalischsten unter ihnen bekommen die Chance, in einem Chor zu singen, der von Ida Kelarova geleitet wird und der mehrere Auftritte bekommt, auch im Fernsehen. Für manche der Roma-Kinder ist das eine Lebenschance: Wenn sie am Ball bleiben, können sie in ein paar Jahren mit Musik womöglich ihren Lebensunterhalt bestreiten.

Kelarova hat es etwas leichter gehabt. Sie stammt wie ihre noch berühmtere Schwester Iva Bittova von einem Roma-Musikanten und einer slowakischen Lehrerin ab und wurde in Mährisch-Schlesien geboren. Beiden Mädchen wurde die Musik quasi in die Wiege gelegt. Bittova gehört zu den Spitzenkünstlerinnen in Tschechien, sie singt, spielt Geige und schauspielert. Jeder weiß, dass sie eine „halbe Roma“ ist. Doch auch wenn viele Tschechen ein gespanntes Verhältnis zur Roma-Minderheit haben, Bittova wird als Vertreterin alternativer Musik nahezu vergöttert.

Konzerte in der ganzen Welt

Ihre Schwester Ida genießt diese Berühmtheit nicht. Sie verließ Mitte der 1980er-Jahre, noch zu kommunistischen Zeiten, die Tschechoslowakei und trat in mehreren Ländern mit Roma-Musik auf. 1995 erst kehrte sie nach Tschechien zurück, um sich dort dem Schicksal der Roma-Kinder zu widmen. Sie gründete eine Musikschule, organisierte Roma-Festivals und legte in mehreren Ländern den Grundstein für Roma-Kinderchöre. Mit diesen konzertiert sie seit 1999 in der ganzen Welt.

Über einige Jahre versammelte sie Roma-Kinder für ihr Projekt in Mährisch-Schlesien. Jetzt also auch in der Slowakei. Das Projekt nennt sich übersetzt „Roma-Blut“. Blut, das auch in ihren Adern fließt, was man ihr allerdings nicht ansieht. Sie würde eher als Wagner-Sängerin durchgehen.

„Ich will Barrieren abbauen, den Roma-Kindern Freude machen und ihr völlig unterentwickeltes Selbstbewusstsein stärken“, begründet die Sängerin ihr Engagement. Barrieren zwischen den Roma einerseits und der Mehrheitsbevölkerung in Tschechien, der Slowakei und Ungarn andererseits gibt es reichlich. Demonstrationen gegen die Minderheit gewinnen seit Jahren an Zulauf. Die Teilnehmer neiden den Roma die Sozialleistungen, was aberwitzig ist, weil sie wahrlich nicht üppig sind.

Heuer haben sich 14 Musiker der Tschechischen Philharmonie überzeugen lassen, den langen Weg in die Ostslowakei auf sich zu nehmen und dort zu spielen. „Schon die erste Begegnung mit den Roma-Kindern hat unsere Erwartung total übertroffen“, sagte der Oboist Jiří Zelba. „Sie singen traumhaft schön. Ich würde es jedem wünschen, diesen Gesang zu hören. Er ist für uns professionelle Musikanten eine regelrechte Offenbarung.“ Die Roma-Kinder seien spontan, ließen sich locker auf jeden Sound ein, ob auf Jazz oder normale Kinderlieder. „Das ist wie ein Wunder.“

„Aus dem traurigen Leben raus“

Ida Kelarova weiß, dass es sich für die Roma-Kinder um einen langen Weg aus dem Elend handelt. Nur die Begabtesten würden es schaffen, sich für ihren Chor zu empfehlen. „Aber auch die anderen kommen wenigstens einmal aus ihrem traurigen Leben raus.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.08.2014)

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