Spanien, das Schmiergeldparadies

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Kaum ein Tag vergeht, an dem nicht eine neue Betrugsaffäre publik wird. Die Justiz ist chronisch überlastet, Strafprozesse werden systematisch verschleppt.

Madrid. Aurora Montes reicht es. „Ich frühstücke jeden Morgen mit der Korruption“, schreibt sie in einem Leserbrief an Spaniens größte Tageszeitung „El País“. Das schlage ihr derart auf den Magen, dass sie demnächst wohl Beruhigungstabletten mit dem Morgenkaffee schlucken müsse. Tatsächlich vergeht kaum ein Tag, an dem Spanien nicht mit Schlagzeilen über einen neuen Schmiergeldskandal aufwacht. Was „El País“ zu der Einschätzung veranlasst hat, dass das südeuropäische Königreich „in der Champions League der korrupten Länder“ ganz oben mitspielt.

Derzeit schockiert eine neue gigantische Betrugs- und Bestechungsaffäre das Land: Im nordspanischen Katalonien hat der bekannteste Politiker der eigenwilligen Region, der langjährige katalanische Regierungschef Jordi Pujol, gestanden, dass seine Frau und seine sieben Söhne ein Millionenvermögen auf ausländischen Konten gehortet und vor dem Fiskus geheim gehalten haben. Das Geständnis Pujols, der 23 Jahre lang in Katalonien mit seiner auf Unabhängigkeitskurs fahrenden Regionalpartei CiU wie ein Fürst regierte, kam nicht freiwillig: Die Ermittler sind seiner Familie auf den Fersen; dem Pujol-Clan wird vorgeworfen, jahrzehntelang öffentliche Aufträge gegen Bestechungsgeld vermittelt zu haben.

Die Exfrau des ältesten Pujol-Sohnes gab gegenüber dem Untersuchungsrichter an, dass er öfter „mit Taschen und Koffern voller 500- und 200-Euro-Scheine“ in die nahe Steueroase Andorra gefahren sei. Wohl kein Einzelfall. „Die vorherrschende Meinung ist, dass die Korruption der Normalzustand ist“, beschreibt die Zeitung „La Opinion A Coruña“ die Stimmung.

Vom Rathaus ins Gefängnis

Arbeitsplätze, Aufträge, Anträge beim Amt: Überall wird geschmiert. Im Jahr 2013 schickte ein Gericht die ganze Spitze des Rathauses der Badestadt Marbella ins Gefängnis, weil ein „allgemeines System der Korruption“ in der Stadtverwaltung installiert worden war. Im neuesten internationalen Ranking der Korruptionswächter von Transparency International schmierte das Euro-Krisenland, das seit Jahren mit Wirtschaftsmisere und Massenarbeitslosigkeit kämpft, gleich um zehn Stellen auf den 40. Platz ab.

Selbst der konservative Regierungs- und Parteichef Mariano Rajoy wird verdächtigt, eine ergiebige Vetternwirtschaft in der Spitze seiner Partido Popular zu tolerieren. Und Rajoy selbst soll von seinem inzwischen in U-Haft sitzenden Schatzmeister Luis Bárcenas Umschläge voller 500-Euro-Scheine unklarer Herkunft erhalten haben. Pablo Ruz, eiserner Ermittler am nationalen Gerichtshof in Madrid, hat bereits mehr als 100 Politiker und Unternehmer aus dem Umfeld der konservativen Volkspartei beschuldigt – Rajoy blieb bisher unbehelligt. Dabei geht es nicht nur um Korruption und Steuerbetrug, sondern auch um illegale Parteifinanzierung.

Auch Sozialisten beteiligt

Selbst auf den zurückgetretenen König Juan Carlos fallen Schatten, die wegen seiner Immunität bisher nie untersucht wurden. Gegen Juan Carlos' Tochter Cristina und ihren Mann Iñaki Urdangarin wird jedenfalls ermittelt. Zum schlechten Ruf tragen aber auch die Sozialisten bei: In Andalusien sollen die regierenden Genossen ungeniert millionenschwere Arbeitsfördergelder – auch aus EU-Töpfen – an Freunde und auf eigene Konten weitergegeben haben. Die spanische Justiz ist chronisch überlastet, Strafprozesse werden systematisch verschleppt, klagt Generalstaatsanwalt Eduardo Torres-Dulce. Seine Vermutung, „dass die Justiz die Mächtigen begünstigt“, scheint die Statistik zu bestätigen. Obwohl zur Zeit in fast 1700 Fällen ermittelt wird, sitzen bisher kaum mehr als 20 korrupte Politiker im Gefängnis.

AUF EINEN BLICK

Spanien. Die Korruption in Spanien betrifft nicht nur Politiker, sondern auch das Königshaus. Bisher wurde gegen den abgetretenen König Juan Carlos aufgrund der Immunität nicht ermittelt; gegen seine Tochter Cristina und ihren Mann aber sehr wohl. Zuletzt wurde ein Betrugsskandal rund um den katalanischen Politiker Jordi Pujol bekannt. Er hat eingestanden, dass seine Familie ein Millionenvermögen auf ausländischen Konten gehortet und vor dem Fiskus geheim gehalten hat.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.09.2014)

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