Niederlande: Sankt Nikolaus, ein Rassist?

(c) EPA (Catrinus van der Veen)
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Die beliebten Sinterklaas-Lieder müssen umgeschrieben werden: Ein Richter urteilte, dass der Heilige darin viel zu böse sei.

Den Haag. Für holländische Kinder ist es der Höhepunkt des Jahres: Alle Jahre wieder, am Abend des 5.Dezember, kommt der Nikolaus, Sinterklaas, mit seinem Knecht Ruprecht, dem Zwarte Piet, und bringt Geschenke mit. Das Sinterklaas-Fest in den Niederlanden ist fast so wie der Heilige Abend anderswo – nur ohne Christbaum, aber mit vielen Geschenken.

Doch heuer soll alles ganz anders werden. Denn der heilige Nikolaus ist nach einem kürzlich ergangenen Gerichtsurteil plötzlich ein Rassist. Ein Rassist und Sklaventreiber, weil sein Knecht Ruprecht, der Zwarte Piet, schwarz ist. Dumm ist Piet, jedenfalls dessen Darstellung, anscheinend auch noch. Und der heilige Mann mit der Bischofsmütze besitzt zudem die Frechheit, seinen Knecht herumzukommandieren, wenn er zu ihm sagt: „Piet, hol mal die Geschenke für die Kinder.‘‘

Im Jahr 2014 geht das offenbar einfach nicht mehr: Der Knecht des Nikolaus darf nicht mehr schwarz sein, oktroyiert die Political Correctness. Er darf auch kein Knecht mehr sein und auf Anweisung des Nikolaus keine Geschenke mehr auspacken. Und er soll auch nicht mehr mit seiner Rute herumfummeln, um die Kinder zur Ordnung zu mahnen.

Doch das ist nicht genug: Auch die Nikolaus-Lieder, die alle in den Niederlanden aufgewachsenen Kinder auswendig kennen, sind angeblich rassistisch. Deshalb müssen sie jetzt, kein Witz, umgeschrieben werden. Und das ist Chefsache: Der Minister für Arbeit und Soziales, Lodewijk Asscher, berief eine Sinterklaas-Kommission ein. Die brütet nun darüber, wie man Rassismen aus dem Nikolausfest verbannen kann.

Politisch unkorrekte Rute

Somit sollen alle Liedchen zu Ehren von Nikolaus und Piet neu getextet werden. Worte wie „schwarz“ oder „Knecht“ sollen getilgt werden. Politisch unkorrekt scheinen auch Begriffe wie „die Rute“ oder so harmlose Ausdrücke „ich bin frech und brutal“. Sätze wie „Ich bin schwarz wie Ruß – aber ich meine es gut“ dürfen nicht mehr vorkommen.

Zwei Kinderbuchautoren, die auch Texte für die niederländische Version der Sesamstraße schreiben, haben vom Sozialministerium bereits den Auftrag erhalten, alle Nikolaus-Lieder neu zu texten.

An vielen Schulen herrscht indes Ratlosigkeit. Die Lehrer wissen nicht, wie sie mit den Kindern die neuen Lieder singen sollen, die zudem noch keiner kennt: ,,Wir haben nun ein riesiges Problem in den Schulen. Wir können unsere Nikolaus-Lieder nicht mehr gemeinsam singen. Es drohen ein Kulturbruch in der Gesellschaft und ein Bruch zwischen den Generationen, wenn nun die Lieder neu betextet werden“, klagt Ineke Strouken, Vorsitzende des Zentrums für Volkskultur. ,,Die Veränderungen sind so weitgehend, dass vieles von den schönen Texte verloren geht.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.09.2014)

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