Raumfahrt: Amerikas neuer Aufbruch ins All

Handout photo of a view photographed by NASA astronaut Wiseman from the International Space Station showing part of the United States mainland from the state of Florida to Louisiana
Handout photo of a view photographed by NASA astronaut Wiseman from the International Space Station showing part of the United States mainland from the state of Florida to Louisiana(c) Reuters (NASA)
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Wegen der kriselnden Beziehungen zu Russland beschlossen die USA, das jahrelange russische Monopol bei Flügen zur Raumstation ISS zu brechen: durch neue Raumschiffe bis 2017.

Der höchst irdische Konflikt um die Abspaltungstendenzen in der Ostukraine und Russlands Okkupation der Krim hat nun sozusagen außerirdische Auswirkungen ersten Rangs: Die US-Raumfahrtbehörde Nasa gab in der Nacht auf Mittwoch bekannt, dass die USA spätestens 2017 wieder bemannte Raumschiffe haben sollen: Sie werden erstmals von Privatfirmen gebaut und sollen die Abhängigkeit von Russland beenden, dessen Sojus-Raketen mit den gleichnamigen Kapseln seit Längerem die einzigen „Taxis“ in den erdnahen Raum sind, speziell zur Internationalen Raumstation ISS.

Nasa-Chef Charles Bolden sagte, „die bedeutendste Nation der Welt sollte bei der Raumfahrt nicht auf ein anderes Land angewiesen sein“. Daher bekamen die Konzerne Boeing und SpaceX einen Auftrag im Wert von umgerechnet 5,2Milliarden Euro, ihre Projekte CST-100 bzw. Dragon V2 mehr oder weniger autonom umzusetzen. Zu dem Preis müssen beide zuerst je mindestens einen bemannten Flug mit Nasa-Astronauten durchführen, inklusive Kopplung an die ISS und Rückkehr. Werden die Schiffe von der Nasa zertifiziert, müssen noch je zwei bis sechs voll besetzte bemannte Flüge folgen – beide Kapseln sind auf je sieben Personen ausgelegt, in eine Sojus passen drei Menschen.

Die Drohung aus Moskau saß

Der Hintergrund ist komplex und zusehends brisant: Nach Ende der Apollo-Mondflüge in den 1970er-Jahren hatten die USA beim bemannten Raumflug alles auf die Space Shuttles gesetzt, die ab 1981 flogen und auch Fracht trugen, aber 2011 aus technischen- und Kostengründen ausgemustert wurden. Seither hat Russland das Monopol bei bemannten Flügen zur ISS (Chinas Shenzhous dürfen/können die ISS nicht anfliegen). Davon gibt es pro Jahr mehrere, etwa alle zwei bis fünf Monate, Moskau nahm zuletzt pro Passagier etwa 50 Millionen Euro, Tendenz steigend. Ob der Verschlechterung der Beziehungen zum Westen wurde zudem seit Langem befürchtet, Russland könnte seine Taxidienste stoppen. Als dann Vizepremier Dimitri Rogozin im Frühjahr salopp drohte, die USA müssten ihre Leute vielleicht bald „per Trampolin“ zur ISS bringen, schrillten die Alarmglocken in Amerika endgültig.

Der nächste Flug zur ISS ist für 25.September geplant, mit zwei Russen und einem Amerikaner.

Nun ist Boeing ja ein Platzhirsch in der Raumfahrt, sein Schiff soll auf bestehende Raketenmodelle montiert werden können. SpaceX in Kalifornien indes wurde 2002 vom Südafrikaner Elon Musk (43) gegründet, einem unternehmerischen Hansdampf, der den Internetbezahldienst Paypal und die Elektroautofirma Tesla gründete. SpaceX baute eigene Raketen der Falcon-Familie, die nicht nur Satelliten, sondern seit 2012 auch unbemannte Dragon-Kapseln mit Fracht für die ISS hochbringen. Im Unterschied zu Europas Raumfrachter ATV, der beim Rückflug verglüht, landen die Dragons auf der Erde, „mit der Präzision eines Hubschraubers“, heißt es, das soll auch für die bemannte Version gelten. Die Apollos fielen einst ins Meer und wurden umständlich von Schiff geborgen.

Die neuen Schiffe sollen indes nur im erdnahen Raum fliegen, als ISS-Taxis; es ist tatsächlich seit einem Jahrzehnt Nasa-Strategie, diesen Raum zu privatisieren, um Kosten zu sparen und einen breiten Technologieschub auszulösen. Musk sprach jedoch am Mittwoch davon, seine „Drachen“ könnten durchaus einmal zum Mars fliegen, um aus der Menschheit eine „multiplanetare Spezies“ zu machen.

US/EU-Schiff für ferne Welten

Langstreckenflüge zu Mond, Mars und Asteroiden behält sich aber die Nasa vor. Dafür sind neue Trägerraketen in Bau und das Orion-Raumschiff: Es wird eine vergrößerte Apollo-Kapsel mit Platz für vier bis sechs statt drei Personen, neuer Technik und (welch Erleichterung für die Insassen) einem richtigen Klo (die Mondfahrer hatten noch spezielle Säcke dabei).

Orion wird von Europa mitkonstruiert, seitens der ESA und des Astrium-Konzerns: Dieser soll das Antriebs- und Servicemodul liefern, dort sind Düsen, Lebenserhaltungs- und Steuersysteme, im Grunde ist es Herz und Lunge des Schiffs. Für Dezember ist ein unbemannter Testflug angesetzt, für etwa 2020 ein bemannter Flug um den Mond. Und im selben Jahrzehnt ein bemannter Flug zu einem Asteroiden.

HINTERGRUND

Seit die Space Shuttles 2011 ausgemustert wurden, haben die USA keine bemannten Raumschiffe mehr, dafür hat Russland das Monopol bei bemannten Flügen zur Internationalen Raumstation und lässt sich das teuer zahlen. Das soll, auch wegen der kriselnden Beziehung zu Moskau, enden: Bis 2017 will Amerika eigene, erstmals von Privaten gebaute Raumschiffe.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.09.2014)

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