Japan: Vulkanwanderung wurde Todesfalle

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200 Kilometer westlich von Tokio brach am Wochenende völlig überraschend der Vulkan Ontake aus, ein gerade im Herbst sehr beliebtes Kurzurlaubsziel. Mindestens 31 Menschen starben.

Tokio. Es war ein typischer Samstag. Die Sonne schien, hunderte Wanderer genossen bei klarem Herbstwetter die weite Sicht. Die bergige Grenzregion zwischen den Präfekturen Nagano und Gifu, im geografischen Zentrum des Landes, gehört zu den typischen Ausflugszielen der Japaner. Wandern ist ein beliebtes Hobby, und am Wochenende quillt diese Region gerade in dieser Jahreszeit über, man rückt mit festen Schuhen, Rucksack und Wanderstock aus.

Diesmal hat dieser Kurzurlaub für viele Japaner auf eine Weise geendet, die für Katastrophenfilme aus Hollywood taugt: Der Ontake, mit 3067 Metern der zweithöchste Vulkan Japans, brach unerwartet aus, spie Rauch und schleuderte Gestein in die Luft. Das rege Leben auf dem Berg kam jäh zum Erliegen. Nun machen in Japan Zahlen die Runde: Mindestens 31 Menschen wurden geborgen, womöglich sind deutlich mehr gestorben. In einem der seismisch aktivsten Länder der Welt dürfte der Ausbruch damit die verheerendste Eruption der vergangenen Jahrzehnte sein.

250 Menschen saßen fest

Seit 1991 hatte es in Japan keinen Toten mehr durch einen Vulkanausbruch gegeben. Damals starben 43 Menschen am Berg Unzen in der südwestlich gelegenen Präfektur Nagasaki. Der Ausbruch des Ontake begann am Samstagmorgen. Da die Aschekonzentration in der Luft aber so hoch war und ungewiss blieb, ob weitere schwere Eruptionen folgen würden, verzögerten sich die Rettungsarbeiten zunächst. Die Feuerwehr berichtete, dass zumindest 70 Menschen verletzt wurden, zwölf davon schwer, 34 waren auch mit Herz- und Atemstillständen kollabiert. Rund 250 Menschen saßen auf dem Berg fest. Auch am Sonntagabend waren die Rettungsarbeiten noch nicht abgeschlossen.

Japan hat diese Katastrophe in eine Art Schockzustand versetzt. Premier Shinzo Abe mobilisierte neben der Feuerwehr auch das Militär, Flugzeuge mussten ihre Routen ändern.

„Die Nachrichten sind so traurig“, sagte die 48-jährige Naomi Kawasaki aus der Präfektur Gifu, in der auch der Vulkan liegt, am Sonntagabend. Eigentlich hatte die Hobbywanderin für die kommenden Wochen eine Besteigung des Ontake geplant. Jetzt aber habe sie Angst. „Freunde von mir waren vor Kurzem oben. Wir wissen alle, dass der Vulkan noch aktiv ist. Aber jetzt ist die beste Wandersaison.“

Einmal mehr wurde Japan von einer schweren Naturkatastrophe heimgesucht. Schon zuvor, aber auch nach dem historischen Erdbeben und Tsunami am 11.März 2011, bei dem an der Ostküste rund 20.000 Menschen starben, hat es immer wieder schwere Naturkatastrophen gegeben. Im August dieses Jahres starben bei heftigen Niederschlägen und einem Erdrutsch in Hiroshima im Südwesten Japans 39 Menschen. Durch eine Hitzewelle kamen im Sommer 15 Personen ums Leben, 8600 mussten ins Spital. Auch schwere Erdbeben erlebt das Land jedes Jahr, erst im Mai bebte die Erdoberfläche in Tokio mit einer Stärke von 6,0, mehrere Menschen wurden verletzt.

Während sich wetterbedingte Katastrophen wie Taifune, Regenfälle oder Hitzewellen vergleichsweise gut vorhersagen lassen, hat die Wissenschaft trotz großer Bemühungen viel mehr Schwierigkeiten, Bewegungen im Erdinneren zu prognostizieren. In einigen Vulkanen, wie etwa dem hochaktiven Sakurajima am Südwestzipfel Japans, beobachten japanische Forscher zwar unter anderem die Bewegungen an der Erdoberfläche, die einer Eruption vorausgehen. Aber dadurch lassen sich die Folgen nur für wenige Momente im Voraus ableiten, was für Evakuierungsbemühungen viel zu kurzfristig ist.

Schäden für Landwirtschaft

Beim Ontake wurde keine Warnung ausgesprochen. Bei Erdbeben und Vulkanausbrüchen streitet sich die Wissenschaft grundsätzlich, inwieweit man sie je verlässlich wird vorhersagen können.

Zuletzt war der Ontake 1991 und 2007 ausgebrochen, allerdings in viel geringerem Ausmaß. Shigeo Aramaki, Vulkanologe der Universität Tokio, sagte am Wochenende, dass nun noch mehr heißes Gestein und Asche aus dem Berg austreten und in einem Radius von bis zu vier Kilometern Schaden anrichten könnte. Die landwirtschaftlich geprägte Region am Fuß des Bergs verliert so einen Teil ihrer Ernte, und der Tourismus könnte zunächst zum Erliegen kommen.

Naomi Kawasaki will sich dem Ontake erst einmal nicht mehr nähern, sagt sie. Ebenso wie ihre Freunde.

AUF EINEN BLICK

Der japanische Vulkan Ontake, mit 3067 Metern der zweithöchste Berg Japans, brach am Samstag unerwartet aus. Da der Vulkan ein beliebtes Ausflugsziel ist, gab es zahlreiche Todesopfer. Am Sonntag war von 31 Toten die Rede, es wurde befürchtet, dass die Zahl noch steigt. Die Gefahr weiterer Ausbrüche erschwerte die Rettungsmaßnahmen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.09.2014)

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