Weltkulturerbe als politischer Zankapfel

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Kambodschas neu ernannte Unesco-Stätte Preah Vihear sorgt in Thailand für eine handfeste Krise.

Bangkok/ Phnom Penh. Sie tanzen, singen und schwenken Fahnen: Die Kambodschaner sind in Feierlaune. „Lang lebe Preah Vihear!“ rufen die Menschen in den Straßen der Hauptstadt Phnom Penh. Sie bejubeln die jüngste Entscheidung der Unesco. Unter den weltweit 27 neuen Kultur- und Naturstätten, welche die UN-Kulturorganisation in die lange Liste der weltweit 878 schützenswerten Bau- und Naturdenkmäler gereiht hat, ist auch der kambodschanische Hindu-Tempel Preah Vihear aus dem 11. Jahrhundert. Die Kultstätte befindet sich auf einer Klippe im Grenzgebiet zwischen Kambodscha und Thailand.

Wem gehört der Dschungel?

Während Kambodscha feiert, ist der Nachbar Thailand frustriert. Denn der Boden, auf dem die historische Khmer-Tempelanlage steht, gilt seit Jahrzehnten als Zankapfel zwischen den beiden Ländern. Der Internationale Gerichtshof in Den Haag hatte die Kultstätte „Preah Vihear“ im Jahr 1962 zwar Kambodscha zugesprochen. Unklar aber blieb zunächst, wem das Grundstück rund um den Tempel gehört – dabei dreht es sich um rund fünf Quadratkilometer Dschungelgebiet. Wegen dieses bestehenden Disputes hatte sich Thailand bisher allen Versuchen Kambodschas widersetzt, das Bauwerk als Weltkulturerbe anerkannt zu bekommen.

Der thailändische Historiker Srisakra Vallibhotama versuchte die Gemüter zu beschwichtigen: Die Grenzen seien während der französischen Kolonialzeit Kambodschas willkürlich gezogen worden. Es handle sich um exterritoriales Gebiet von universellem Wert, so Srisakra. Der Tempel selbst sei sowohl für Thais als auch für Kambodschaner eine heilige Stätte.

Im Mai dieses Jahres schließlich vereinbarten thailändische und kambodschanische Abgesandte im Unesco-Hauptquartier in Paris, die Karte des Gebiets um den Tempel neu zu erstellen. Daraufhin erklärte Thailands Regierung in Person von Außenminister Noppadon Pattama, man sei mit der Unesco-Bewerbung Kambodschas einverstanden.

Das rief erneut Kritiker auf den Plan, die ihm den Ausverkauf des Landes vorwarfen. Die thailändische Oppositionsbewegung „Volksallianz für Demokratie“ monierte, ihre Regierung habe den Anspruch auf „Preah Vihear“ an Kambodscha deshalb abgetreten, damit der im Jahr 2006 vom Militär gestürzte Ex-Premier Thaksin Shinawatra Geschäftsinteressen in Kambodscha durchsetzen könne. Zumal Thailands Außenminister früher Thaksins Rechtsberater war. Ohne Zustimmung des Parlaments hätte Noppadon gar nichts zusagen dürfen, urteilte jetzt auch das Verfassungsgericht.

Regierung in Bangkok wackelt

Der Streit um „Preah Vihear“ ist in Thailand längst zum Politikum geworden. Dies könne gar zum Sturz der ohnehin angeschlagenen Regierung von Premier Samak Sundaravej führen, sagen Beobachter.

Zwar war Außenminister Noppadon nach den Protesten in der Bevölkerung sichtlich um Schadensbegrenzung bemüht. Er reiste sogar zum 32. Unesco-Treffen ins kanadische Québec, um den Antrag Kambodschas zu stoppen. Jedoch ohne Erfolg. Am Mittwochabend mehrten sich Spekulationen um seinen Rücktritt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.07.2008)

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