Rocker vs. Immigranten: "Haschischkrieg" in Kopenhagen

(c) AP (Franka Bruns)
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Fast täglich gibt es wilde Schießereien zwischen Rockern und Immigranten. Mehr als 20 bewaffnete Auseinandersetzungen hat die Polizei in den vergangenen zwei Monaten registriert.

KOPENHAGEN. Zeugen hörten zumindest zehn Schüsse aus einer Maschinenpistole und sahen dann zwei Autos, die mit kreischenden Reifen auf dem Asphalt eine Kehrtwende machten. Vor dem Internetcafé „Surf and Play“ im Kopenhagener Stadtteil Nørrebro brachen zwei junge Männer schwer verletzt zusammen. Tags darauf war Rache angesagt: Zwei Mopedfahrer schossen, vor den Augen hunderter Passanten, in den Laden eines Tätowierers und trafen den Besitzer in den Hals. Er überlebte nur um Haaresbreite.

Die dänische Hauptstadt Kopenhagen erlebt seit Wochen derartige Szenen, wie sie aus Wildwest- oder Chicago-Gangsterfilmen stammen könnten. Und sie passieren fast täglich. Die Tatorte sind nicht zufällig gewählt. „Surf and Play“ etwa wird vor allem von der lokalen Einwandererjugend frequentiert und gilt als Umschlagplatz für den Haschischhandel. Im Tattoo-Laden „House of Pain“ wiederum sind die Mitglieder der berüchtigten Rockergruppe „Hells Angels“.

„Hells Angels“ schießen scharf

Und zwischen den „Höllenengeln“ und ihren einheimischen Sympathisanten auf der einen Seite und den anderen Gruppen, die die dänische Polizei kollektiv als „Einwandererbanden“ abstempelt, findet zur Zeit eine blutige Fehde statt, in der es vor allem um die Dominanz auf dem lukrativen Markt für Rauschmittel geht.

Mehr als 20 Schießereien auf offener Straße hat die Polizei in den vergangenen zwei Monaten registriert – und dass es dabei erst einen Toten gab, ist mehr Glück als Verstand. Denn völlig rücksichtslos nehmen die Gangster in Kauf, dass auch Unbeteiligte zu Schaden kommen, wenn sie mitten in dicht besiedelten Wohnblöcken durch die Fenster schießen oder ihre Vendetta am helllichten Tag im Großstadtverkehr austragen. Die Kopenhagener fühlen sich bereits an den „Rockerkrieg“ erinnert – eine wilde Auseinandersetzung zwischen Rockerbanden, die vor zehn Jahren erst endete, als elf Mitglieder der „Hells Angels“ und ihrer Rivalen, der „Bandidos“, ums Leben gekommen waren.

Doch damals befehdeten sich zwei klar definierte Gruppen; jetzt ist das Bild komplizierter. Die Banden, die den Rockern den Hasch-Handel streitig machen, haben Verzweigungen zu kriminellen Milieus am Balkan und im Nahen Osten, können aber auch Anhänger in oft sehr jungen Einwanderergruppen mobilisieren.

Die Hells Angels haben sich mit der Support-Gruppe „AK 81“ (AK für „Allzeit klar“, 81 für die Positionen der Buchstaben HA im Alphabet) alliiert, die das „dreckige“ Geschäft erledigt. Auf deren Webseite meldeten sich seit Beginn der Kämpfe Dutzende Bewerber, oft mit offen rassistischen Motiven, die den „Einwandererbanden“ das Handwerk legen wollen.

Drogenhändler wichen aus

Zwar sagt Kripochef Per Larsen, dass für die Kopenhagener nur „minimales Risiko“ bestehe, doch das beruhigt die Bewohner von Nørrebro nicht. Selbst Khalid al-Subheihi, der seit Jahren in der lokalen Vätergruppe aktiv ist und das Milieu besser kennt als die meisten anderen, will seine Kinder nicht länger der Gefahr aussetzen und wegziehen. Viele sehnen sich nach der Zeit zurück, als der Haschischhandel auf den „Freistaat Christiania“ in Kopenhagen konzentriert war – eine selbsternannte autonome Region, die alternative Gruppen 1971 auf dem Gelände einer ehemaligen Kaserne gegründet hatten. Seit die Polizei dort 2004 die legendäre „Pusher Street“ mit ihren Hasch-Ständen stürmte, sind die Drogendealer über die ganze Stadt verstreut.

Kopenhagens Polizeichefin Hanne Bech-Hansen sagt, man habe die Mittel, den Bandenkrieg zu stoppen, „doch das geht nicht in drei, vier Tagen“. Jüngst gab es erneut mehrere Anschläge auf Rockerlokale, und die Polizei nahm sechs junge Männer mit geladenen Schusswaffen fest.

AUF EINEN BLICK

Seit Wochen geht es in Kopenhagen zu wie in Chicago 1930: Banden von „Hells Angels“ und jungen Einwanderern kämpfen mit Waffengewalt um die Kontrolle des Geschäftes mit Haschisch.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.09.2008)

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