Tansania: Jagd auf Ostafrikas Albinos

(c) AP (Marcelo Hernandez)
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Ihre weißen Körperteile haben Zauberkräfte und machen reich, sagen Medizinmänner – und blasen zu einer mörderischen Hatz, der schon Dutzende zum Opfer fielen.

Wien/Daressalam. Mariam Stanford ist vergleichsweise glimpflich davongekommen: Der 28-jährigen Frau wurde nur eine Hand abgehackt. Bei Esther Charles waren die unbekannten Täter weniger „gnädig“: Sie brachten das Mädchen aus dem tansanischen Dorf Shilela gleich um, bevor sie ihr einen Arm abtrennten. Esther war erst zehn Jahre alt.

Was die beiden Gewaltopfer verbindet: Sie sind Albinos, wie rund einer von 4000 Menschen im südlichen Afrika. Das Leben dieser diskriminierten Randgruppe ist schwer genug – viele sterben wegen ihrer hellen Pigmentierung noch in jungen Jahren an Hautkrebs – doch seit einigen Monaten ist eine weitere, tödliche Bedrohung hinzugekommen: Mindestens 30 Albinos wurden alleine in Tansania seit Jahresbeginn bestialisch ermordet. Weil Medizinmänner sich eines teuflischen Aberglaubens besannen, der da lautet: Ein Zaubertrank, der Körperteile von Albinos beinhaltet – besonders begehrt sind die Gliedmaßen, aber auch Zunge und Brüste werden abgetrennt –, macht reich und glücklich. Dass dafür Menschen sterben, wird in Kauf genommen.

Bei der Geburt getötet

Gerade bei Albinos ist die Hemmschwelle besonders gering, denn ihnen wird teilweise das menschliche Wesen abgesprochen: In manchen Landstrichen hält man sie für unsterbliche Geister oder man glaubt, sie seien von Dämonen besessen. Kurz: Das Wissen um die genetischen Ursachen ist gering, die Vorurteile sind groß. So groß, dass Albino-Babys manchmal gleich nach der Geburt getötet werden, da sie als Zeichen eines Fluchs gelten.

In die Schule werden Albinos kaum geschickt, einerseits weil man sie für zurückgeblieben hält, andererseits weil sie unter den Ressentiments ihrer Mitschüler zu sehr leiden. In der Folge haben sie es auch extrem schwer, einen Job zu finden: Kaum jemand würde einen Albino als Verkäufer oder gar in der Gastronomie anstellen, da Albinismus oft für ansteckend gehalten wird. Eine Betroffene aus Simbabwe erzählte einmal dem Magazin „New African“, sie habe einer Bettlerin eine Banane gegegeben – und die Beschenkte habe das Obst weggeschleudert, als ob es vergiftet sei. Nicht zu reden von den Problemen der Albinos, einen Partner zu finden. Vom Leben eines Salif Keita können die meisten Albinos Afrikas nur träumen: Wobei der malische Star-Sänger in seiner Heimat auch erst berühmt wurde, nachdem er in Europa den Durchbruch geschafft hatte.

Verhaftungswelle

All das wirkt angesichts der jüngsten Mordserie, die von Tansania mittlerweile auch auf Burundi übergegriffen hat, noch harmlos. Nun hat sich auch Tansanias Präsident Jakaya Kikwete eingeschaltet: Er nahm an einem Solidaritätsmarsch teil und las seinen abergläubischen Landsleuten die Leviten: „Es ist dumm zu denken, dass Albinos Zauberkräfte haben und ihre Körperteile Reichtum verleihen.“ Der Bevölkerung müsse beigebracht werden, dass Reichtum nur durch harte Arbeit zu erlangen sei.

Die Behörden, zunächst wegen mangelndem Einsatz im Kreuzfeuer der Kritik, haben inzwischen Dutzende Verdächtige verhaftet. Gegen den in der Bevölkerung verbreiteten Aberglauben ist die Polizei freilich machtlos.

AUF EINEN BLICK

Rund einer von 4000 Menschen im südlichen Afrika leidet an Albinismus. Damit verbunden ist ein stark erhöhtes Risiko, früh an Hautkrebs zu erkranken. Albinos werden in Afrika oft diskriminiert. Teilweise gelten sie sogar als „Geister“, die über spezielle Zauberkräfte verfügen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.10.2008)

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