Frankreich: Hängt die Hymnenauspfeifer höher!

Archivbild: Französische Fußballfans
Archivbild: Französische Fußballfans(c) GEPA pictures (Gepa Pictures/ Guenter Artinger)
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Das Auspfeifen der Marseillaise bei Fußballspielen könnte bald zu drakonischen Strafen und zum Spielabbruch führen.

PARIS. Bei ihren Nationalsymbolen hört sich für die Gallier der Spaß auf: Weil jüngst bei einem Spiel zwischen den Fußball-Equipen Frankreichs und Tunesiens in Paris die französische Hymne – die Marseillaise – im Pfeifkonzert tunesischer Fans unterging, fühlen sich laut Umfrage der Zeitung „Le Parisien“ 80 Prozent der Franzosen in ihrem Stolz verletzt und beleidigt. Nicht genug: Zwei französische Minister wurden von ihrer eigenen Regierung getadelt, weil sie nicht demonstrativ das Stadion verlassen hatten. Und: Sollte so etwas wieder passieren, müsse das Spiel abgebrochen werden.

Ähnliche für den Gastgeber unfaire Szenen hatte es schon bei Spielen gegen Algerien und Marokko gegeben, als (ebenfalls im Stade de France von Saint-Denis bei Paris) die ausländischen Fans durch Jugendliche nordafrikanischen Herkunft verstärkt und klar in der Mehrheit waren – und das laut und provokant ausdrückten.

Multikulti half nichts

Aufgrund jener Präzedenzfälle hatte man bei der Ausrichtung des Spiels gegen Tunesien versucht, den einträchtigen Charakter des Freundschaftsspiels zu unterstreichen und nationalistische Wallungen zu dämpfen. Die Marseillaise wurde dazu auf sehr originelle Weise von der algerisch-französischen Sängerin Lââm angestimmt. Doch es half nicht.

Also wurde daraus eine Staatsaffäre. Präsident Nicolas Sarkozy zitierte die Verantwortlichen zu sich, die erklären mussten, wie sie weitere solche Vorfälle zu verhindern gedächten. Premierminister François Fillon fordert drastische Maßnahmen zur Prävention: Sollte die Marseillaise wieder ausgepfiffen werden, müsse das Spiel gleich ganz abgesagt werden.

„Ab in die Herkunftsländer“

Laut Innenministerin Michèle Alliot-Marie werden jene, die beim Auspfeifen der Marseillaise gefilmt wurden, juristisch verfolgt. Denn seit 2003 ist es verboten, öffentlich die Hymne oder die Trikolore zu beleidigen, und bei Zuwiderhandlung durch zusammengerottete Gruppen stehen darauf sechs Monate Haft und 7500 Euro Buße. Politiker aller Couleurs fordern ein hartes Vorgehen gegen Hymnenauspfeifer; der sozialistische Abgeordnete Arnaud Montebourg meint, die Pfiffe seien symptomatisch für die schlechte Integration eines Teils der aus der Immigration stammenden Jugend. UMP-Parlamentarier Lionnel Luca sagte wütend, die Jugendlichen, die da auf Frankreich pfeifen, sollten „ihre Koffer packen und in ihre Herkunftsländer reisen“.

Nur Zentrumsdemokrat François Bayrou scherte aus. Er hält es für „genauso dumm, unverhältnismäßig zu reagieren oder Spiele zu verbieten“. Die Regierung wolle mit der Debatte bloß von wichtigeren Problemen ablenken.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.10.2008)

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