Medizin-Tourismus: Befruchtende Reisen nach Indien

(c) AP (Mahesh Kumar A)
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Immer mehr Ausländer erfüllen sich in Indien ihren Kinderwunsch. Auch die Tourismuswirtschaft scheint das erkannt zu haben.

MUMBAI/Wien.Was klingt wie Zeilen aus einem utopischen Roman, stammt von der Homepage einer Klinik in Indien für künstliche Befruchtung: „Spenden Sie Ihre Eizellen – unsere Patienten werden Sie großzügig belohnen!“

Mit diesen Worten lockt die „Malpani-Klinik für künstliche Befruchtung“ potenzielle einheimische Eizellenspenderinnen. Jung, gebildet, gesund – und natürlich fruchtbar sollen sie sein. Und gewillt, kinderlosen Ausländerpaaren deren Traum vom Nachwuchs zu erfüllen: Denn immer mehr Frauen reisen nach Indien, um sich dort mithilfe indischer Eizellen künstlich befruchten zu lassen.

Die Spenderinnen sollen die im Westen offenbar steigende Nachfrage nach Eizellen bedienen. Die in Indien freizügige Reglementierung der Fortpflanzungsmedizin, aber auch die niedrigen Preise ziehen immer mehr Paare an. Jährlich soll es rund 30.000 solcher Eizellen-Transplantationen geben, bei denen, Schätzungen zufolge, in rund der Hälfte der Fälle die Kunden aus dem Ausland sind.

Bis 770 Euro pro Ei-Spende

Gut 3500 Euro kostet der Eingriff in der Malpani-Klinik. Dabei ist das noch teuer: In manchen Gegenden kostet es nur 2000 Euro. In den USA zahlen Kunden vier bis fünf Mal so viel, dazu kommen lange Wartezeiten. In Großbritannien ist es vor allem die strenge Gesetzeslage, die die Patienten ins Ausland treibt. Einige Länder Europas verbieten Eizellenspenden sogar.

Für ihre Eizellen werden Spenderinnen gebührend entlohnt: 460 bis 770 Euro bekommen sie, freilich abhängig vom Bildungsgrad. Der sei, wie Dr. Malpani im Gespräch mit der „Presse“ meint, zwar „nicht ausschlaggebend, aber von Vorteil – es ist einfacher, gebildeten Frauen die komplizierten Prozeduren zu erklären“. Und manchen Kunden sei es wichtig, Eizellen von gebildeten Spenderinnen zu beziehen. Neben dieser Gruppe gebildeter Frauen aus den Städten sind es aber überwiegend Hausfrauen vom Lande, die sich zur Verfügung stellen.

Dr. Malpani behandelt jährlich etwa 400 Frauen – rund fünfzig davon seien aus den USA oder Großbritannien. Seine Klinik ist eine von gut 400 Befruchtungskliniken in Indien. Neben Mumbai sind vor allem Delhi und Kalkutta Hochburgen der Fortpflanzungsmedizin.

Pauschalreise mit Eizelle

Das wachsende Interesse der vergangenen Jahre lässt einen weiteren Boom des „Befruchtungstourismus“ vermuten. Auch die Tourismuswirtschaft scheint das erkannt zu haben: Indische und ausländische Reisebüros bieten Pauschalreisen an, die die üblichen Rundfahrten und Sightseeingtouren mit Behandlungen zur künstlichen Befruchtung kombinieren. Wie etwa die Agentur für Gesundheitstourismus „Life Smile“ mit Sitz in Delhi: 24 Tage und etwa 3300 Dollar (2551 Euro) müssen Patienten für eine solche Reise nach Indien einplanen; im Preis sind Behandlungskosten sowie das nötige Visum für Ausländer inkludiert. Die Kosten für Unterbringung und Anreise sind zwar nicht inbegriffen, beides wird aber von „Life Smile“ organisiert.

Bereits im vergangenen Jahr hätten etwa 20 Ausländer dieses Angebot angenommen; für 2009 dürften es laut Dr. Kamal, dem Betreiber der Reiseagentur, mehr als doppelt so viele sein.

„Positiver Wettbewerb“

Während Kritiker fürchten, dass billige Fortpflanzungseingriffe die Gesundheit von Spenderinnen und Patientinnen gefährden, sieht Dr. Malpani den Boom positiv: Der Wettbewerb würde zudem die Kosten senken und eine Verbesserung der Behandlungsbedingungen mit sich bringen.

AUF EINEN BLICK

Mindestens 30.000 Eizellen, im Reagenzglas befruchtet, werden pro Jahr von Spenderinnen in Indien auf andere Frauen übertragen. Die Hälfte der Kundinnen dürfte aus dem Ausland zur Behandlung anreisen; rundherum hat sich eine kleine Reiseindustrie etabliert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.11.2008)

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