Schweden: SMS als Waffe gegen Schulschwänzer

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Stockholmer Schulen gelang es, das Schwänzen stark zu reduzieren: Eltern werden automatisch per SMS informiert, wenn ihre Kinder unentschuldigt fernbleiben.

Piep, piep! Ihre Tochter Louise Leijonhufvud ist heute unentschuldigt dem Unterricht ferngeblieben. Bei Fragen wenden Sie sich bitte an den Klassenlehrer. Mit freundlichen Grüßen, Ihre Schule.“

So oder so ähnlich kann eine jener Meldungen lauten, die seit längerer Zeit bereits in Stockholmer Grundschulen gelegentlich per SMS an Eltern geschickt werden – und mit denen offenbar erfolgreich eine neue „Wunderwaffe“ gegen das Phänomen des Schulschwänzens geschaffen wurde: Die Kurzbotschaften an Handys, deren Text die von der ersten bis zur neunten Klasse führenden Grundschulen selbstständig festlegen können, sind sozusagen Schwänzalarm-SMS an Eltern, deren Sprösslinge dem Unterricht ohne Entschuldigung fernbleiben.

Und sie wirken in der Tat: Seit dieser Alarmdienst samt einer in Echtzeit online abrufbaren Abwesenheitsliste eingeführt worden ist, hat sich die Zahl von Schulschwänzern bzw. der durch diese versäumten Schulstunden deutlich reduziert.

Fehlzeitregister im Internet

Bereits seit 2009 werden unentschuldigte Fehlzeiten der Schüler in einem zentralen, von den Eltern im Internet abrufbaren Register eingetragen. Das allein schon hat zu mehr Disziplin im Vergleich zu den schwer einsehbaren handschriftlichen Klassenbüchern geführt. Zudem konnten Eltern dank der Digitalisierung auch über eine Applikation im Mobiltelefon ihre Kinder bei Krankheit einfach online entschuldigen.

„Insgesamt haben sich die unentschuldigten Fehlzeiten aller Stockholmer Grundschulen schon durch diese Maßnahmen drastisch von 2,9 Prozent im Schuljahr 2009/2010 auf 1,7 Prozent im Schuljahr 2013/2014 reduziert“, sagt Erika Isaksson vom Stockholmer Ausbildungsverwaltungsamt zur „Presse“. „Der obligatorische Informationsdienst ist für den Rückgang verantwortlich, haben unsere Analysen ergeben.“

Seit 2012 aber werden zusätzlich in 16 Versuchsschulen bei der digitalen Erfassung der anwesenden Schüler durch die Lehrkräfte umgehend SMS an Eltern geschickt, wenn ihre Kinder zum Stundenbeginn unentschuldigt nicht erschienen sind. Folge: Eine Erhebung des Schulamtes hat ergeben, dass sich das Schwänzen an den meisten der 16 Versuchsschulen jetzt sogar mehr als halbiert hat.

So hatten etwa die Schülerinnen und Schüler der Grundschule in Akalla, einem sozialschwachen Vorort mit mehr als 70 Prozent Migrantenanteil, im Schuljahr 2009/10 noch rund neun Prozent der gesamten Unterrichtszeit unentschuldigt verpasst. Dann kam der Schwänzalarm, und siehe: Im Schuljahr 2013/14 waren es plötzlich nur noch 2,1 Prozent.

Der bei der Einführung der Schwänz-SMS noch belächelte und von Schülervertretern gar als „die Integrität verletzend“ heftig kritisierte elektronische Alarmdienst hat sich damit klar bewährt. Ab dem kommenden Schuljahr soll er daher gleich auf alle Stockholmer Grundschulen erweitert werden.

Wer schwänzt, ist einsam

Die Digitalisierung, der SMS-Dienst und auch Sozialarbeiter, die im Rahmen des Versuchs an einigen besonders problematischen Schulen der schwedischen Hauptstadt extra dafür eingesetzt wurden, um vor allem Kindern mit auffallend hoher Abwesenheitsrate zu helfen, haben angeblich auch die Stimmung an den Schulen geändert. „Es ist ganz einfach nicht mehr so populär zu schwänzen. Man wird nämlich einsam, weil es keine so große oder gar keine Clique mehr gibt, mit der man außerhalb der Schule herumhängen kann“, sagt der Sozialarbeiter Claude Brochard der Zeitung „Svenska Dagbladet“. Und: Die kräftig erhöhte Anwesenheit der Schüler habe auch zu besseren Schulnoten und einem ruhigeren, entspannteren Klima in den Klassenzimmern geführt.

In der ursprünglichen Version dieses Artikels wurde irrtümlich behauptet, dass das schwedische Modell auch für Österreich ein Vorbild sein könnte. Tatsächlich wird das SMS-Service auch hierzulande bereits teilweise genutzt. Etwa in Tirol und in manchen Wiener Schulen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.11.2014)

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