Türkei: Terrorgefahr für den Papst in Istanbul

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Die Sicherheitsbehörden lehnten den Wunsch des Heiligen Vaters ab, am Samstag in einem ungepanzerten Auto durch Istanbul zu fahren. Die Angst vor IS-Jihadisten geht um.

Istanbul. Ausgerechnet der „Papst der Armen“ ist der erste Gast im Prunkpalast von Recep Tayyip Erdoğan. Der türkische Präsident empfängt Franziskus I. an diesem Freitag in Ankara als ersten Staatsgast in seinem nagelneuen Weißen Palast, der rund eine halbe Milliarde Euro gekostet hat und von der Opposition als Symbol der Großmannssucht verdammt wird.

Wie der Papst über Erdoğans Palast denkt, ist nicht bekannt. Franziskus selbst wohnt in Rom in einem bescheidenen Gästehaus und ruft hochrangige Geistliche zu Bescheidenheit auf. Appelle türkischer Regierungsgegner, der Papst solle einen Besuch im Weißen Palast verweigern, wurden vom Vatikan ignoriert. Doch Franziskus könnte mit „Überraschungen“ aufwarten, sagte ein Kirchenmann in der Türkei der „Presse“.

Der Streit um Erdoğans Palast überschattet die Vorbereitungen des ersten Papstbesuches in der Türkei seit acht Jahren. Die Opposition in Ankara schimpft, der Weiße Palast sei nicht nur Geldverschwendung, sondern auch ein Schwarzbau, weil er trotz gerichtlicher Einsprüche errichtet worden sei. Da komme der Papst für den Premier wohl gerade recht, um dem Gebäude Legitimation zu verschaffen: „Er wollte den illegalen Palast wohl zuallererst dem Papst zeigen“, spottete Haluk Koç, Sprecher der Oppositionspartei CHP.

Mit Erdoğan dürfte der Papst vor allem über die Syrien-Krise und über die Lage der Christen in der Türkei reden. Dabei ist zu erwarten, dass der Heilige Vater, der diese Woche in Straßburg die Zurückhaltung der EU bei der Aufnahme von Flüchtlingen kritisierte, die türkischen Bemühungen demonstrativ lobt. Das Land gewährt 1,6 Millionen Syrern Zuflucht und schickt sich an, die Gäste mit Arbeitsgenehmigungen und Regelung der Gesundheitsversorgung in die Gesellschaft zu integrieren.

Auch bei den Bemühungen um mehr Verständigung zwischen christlicher und muslimischer Welt dürften Erdoğan und der Papst auf einer Wellenlänge liegen. Weniger begeistert wird der türkische Präsident wahrscheinlich jedoch reagieren, wenn Franziskus die alte Forderung der katholischen Kirche nach Anerkennung als eigene Rechtspersönlichkeit aufs Tapet bringt: Denn das lehnt Ankara ab. Trotzdem liegt vor der Ankunft des Papstes weit weniger Spannung in der Luft als beim Besuch von Franziskus‘ deutschem Vorgänger, BenediktXVI., der Türken und Moslems in aller Welt im Jahr 2006 wenige Tage vor seiner Ankunft in Ankara mit der berüchtigten Regensburger Rede verärgerte.

Dagegen kann sich Franziskus ungestört am Samstag in Istanbul dem Hauptzweck seiner Visite zuwenden: Mit dem orthodoxen Patriarchen Bartholomäus spricht Franziskus über das historische Projekt der Überwindung der tausendjährigen Kirchenspaltung.

Nur 30.000 Katholiken

Papst und Patriarch treiben die Vorarbeiten für die Wiedervereinigung voran und wollen am Sonntag zum Abschluss des Besuches eine gemeinsame Erklärung veröffentlichen. Zusammen begehen die beiden Religionsführer das Andreas-Fest, das in der orthodoxen Kirche einen besonderen Rang hat. Als Patriarch ist Bartholomäus der Nachfolger des Apostels Andreas.

Das Papamobil lässt Franziskus zu Hause, auch ein Bad in der Menge ist nicht vorgesehen, was bei insgesamt nur rund 30.000 Katholiken in dem zu 99Prozent muslimischen Land kein Wunder ist. Islamisten betrachten den Besuch des Papstes beim Patriarchen als Teil eines antitürkischen Komplotts. Ziel sei die Errichtung eines orthodoxen Kirchenstaates mitten in Istanbul, kommentierte das religiöse Blatt „Yeni Akit“.

Allein in Istanbul bieten die türkischen Behörden rund 7000 Polizisten auf, um den Papst zu schützen. Bevor Franziskus am Samstag die Blaue Moschee und die Hagia Sophia besucht, wird die Gegend um die beiden Sakralbauten in der Istanbuler Altstadt geräumt. Hunderte Zivilpolizisten sollen sich unter die Menge mischen und dafür sorgen, dass niemand an den Papst herankommt.

Konkrete Drohungen gegen Franziskus liegen zwar nicht vor, doch haben sich die Jihadisten vom Islamischen Staat (IS) im Nachbarland Syrien das Ziel gesetzt, ihren Machtbereich bis nach Rom auszudehnen. Istanbul ist zudem ein wichtiger Knotenpunkt bei der Versorgung des IS mit neuen Kämpfern aus dem Ausland. Die Sicherheitsbehörden gehen davon aus, dass die Extremisten am Bosporus über Schläferzellen verfügen, die bei Bedarf für Gewaltaktionen aktiviert werden könnten.

Deshalb scheiterte der Papst im Vorfeld des Besuches mit einem Anliegen. Um Volksnähe bemüht, bat Franziskus, in einem ungepanzerten Mittelklassewagen durch Istanbul fahren zu dürfen. Doch Ankara lehnte ab: Der Papst erhält eine gepanzerte Limousine.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.11.2014)

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