Katrin Kühling lehrt an der Grunewald-Grundschule Konfliktmanagement.
Winnenden (e.m.). „Je jünger die Schüler sind, desto mehr nehmen sie es an.“ Katrin Kühling (39) ist als Psychologin an der Grunewald-Grundschule in Berlin tätig, wo sie mit den Kindern Konfliktmanagement übt. Ihre Tätigkeit „wird sehr gut aufgenommen“. Noch sind Psychologen an Deutschlands Schulen nicht allgemein üblich, aber „es ist immer mehr im Kommen“, berichtet Kühling. Für die psychologische Betreuung geben Lehrer immer wieder Stunden frei.
„Manche Kinder wissen nicht, wie man mit Konflikten umgeht. Sie schreien und hauen gleich, reagieren mit den Fäusten. Die kleinste Berührung wird genützt, um Aggressionen loszuwerden.“ In den Stunden mit der Psychologin sollen die Schüler lernen, wie man Konflikte vermeiden kann – oder wie man sie löst, „möglichst verbal, ohne Beleidigung. Es geht darum, dass sie Handlungsmuster kennen.“ Quasi eine Hilfe zur Selbsthilfe: „Die Kinder sollen nicht immer zu mir kommen.“ Wenn gerade kein Problem anliegt, gibt Kühling ein Thema vor, etwa Respekt. Der sei gegenüber Lehrern genauso geboten wie etwa gegenüber den Putzfrauen in der Schule.
Ein großes Problem sieht die Psychologin in den zwei Extremen der heutigen Erziehung: „Eltern sind entweder überprotektiv oder sie lassen ihre Kinder sozial verwahrlosen. Die haben zwar alles, werden aber ruhiggestellt. Zwischen diesen Polen gibt es zu wenig normale Diskussion, etwa bei einem gemeinsamen Essen.“ Die Eltern kriegen nicht mit, was ihre Kinder bewegt oder wenn sich diese zurückziehen.
„So eine große Gewaltbereitschaft war schon lange nicht da“, sagt Kühling zum Amokläufer von Winnenden. Die schreckliche Nachricht werde in nächster Zeit alle Schüler in Deutschland belasten und mit den Psychologen zu verarbeiten sein. Die Komponenten bei Amoktätern seien immer ähnlich: Gewaltspiele, durch die sie den Bezug zur Realität verlieren, wenig Anerkennung, Zurückgezogenheit, Affinität zu Waffen. „Aber man hat noch nicht das Muster X gefunden, das auf alle zutrifft. Sonst wäre ja eine gezieltere Prävention möglich.“
("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.03.2009)