Ein Airbus der malaysischen Billigfluglinie Air Asia mit 162 Menschen an Bord verschwand Sonntagfrüh bald nach dem Start vom Radar. Ein Absturz wird befürchtet.
Phu Quoc/Jakarta. Die letzten Funksprüche klangen trotz des schlechten Wetters wie reine Routine. Flugkapitän Iranto, ein Veteran von Indonesiens Luftwaffe, und sein französischer Kopilot hatten wegen Gewitterwolken die Bodenstation um eine Kursänderung gebeten. Als sie die Reisehöhe von knapp 12.000 Metern verließen und den Airbus der malaysischen Billigfluglinie Air Asia in einen Steigflug lenkten, brach der Funkkontakt ab.
Das Flugzeug verschwand mit 155 Passagieren und sieben Besatzungsmitgliedern an Bord am frühen Sonntagmorgen über der See von Java zwischen Java und Borneo vom Radarschirm. An Bord befanden sich überwiegend Indonesier, 16 Kinder, ein Brite, ein Franzose und eine südkoreanische Familie mit einem Säugling.
Zwölf Stunden später fehlte mit Einbruch der Dunkelheit immer noch jede Spur von Flug QZ8501 vom indonesischen Surabaya nach Singapur. Malaysia, Indonesien und Singapur, die etwa vier Stunden nach dem Verschwinden eine intensive Suchaktion starteten, dementierten am Sonntagabend energisch alle Gerüchte, Trümmer der Maschine seien nahe der Insel Betilung im Meer entdeckt worden.
Die Angehörigen der Passagiere am Changi-Flughafen in Singapur mussten sich auch am Abend noch mit einer knappen Anzeige auf den Flughafentafeln begnügen: „Wenden Sie sich bitte an den Informationsschalter.“ Tony Fernandes, der Air Asia im Jahr 2001 kaufte und mit dem Slogan „Jetzt kann jeder fliegen“ die Ära der Billigflieger in Südostasien einleitete, flog nach Surabaya, von wo die meisten der Passagiere stammten. Ihn erwarteten weinende Angehörige, die seit Stunden vergeblich auf Nachrichten warteten.
Parallelen zu Flug MH370
Je länger die intensive Suche – an der sich nun auch die USA beteiligen – ergebnislos blieb, umso stärker wurden Erinnerungen an das mysteriöse Verschwinden einer Boeing 777 von Malaysian-Airlines-Flug MH370 im März diesen Jahres wach. Das Wrack der Maschine, die von Malaysias Hauptstadt Kuala Lumpur startete, wird gegenwärtig in bis zu 6000 Meter Tiefe auf dem zerklüfteten Boden des Indischen Ozeans westlich der australischen Stadt Perth vermutet. Die Suche nach Flug QZ8501 konzentriert sich laut Angaben des indonesischen Fernsehsenders Metro TV auf das Meer südlich von Borneo. Die Piloten hatten offenbar nicht einmal Zeit, einen Notruf abzusetzen. Bislang konnte auch noch kein Signal der Blackbox entdeckt werden, die nach einem Absturz bis zu vier Wochen lang Ortungssignale sendet.
Offiziell halten sich Air Asia und die Behörden weiter an die Sprachregelung, dass Flug QZ8501 vermisst wird. Aber den meisten Angehörigen der Passagiere dürfte klar sein, dass kaum noch Hoffnung auf Überlebende besteht. In den letzten Jahren hat es zahlreiche Flugzeugunglücke in Indonesien gegeben. Selbst bei Abstürzen über der See von Java dauerte es meist nur wenige Stunden, bis Wrackteile entdeckt wurden.
Die Billigfluggesellschaft Air Asia fiel bisher wegen ihrer einwandfreien Sicherheitsbilanz auf. Seit der Übernahme der Fluglinie durch Tony Fernandes, einen früheren Manager des US-Unterhaltungskonzerns Times Warner, gab es keinen fatalen Unfall. Mittlerweile fliegt Air Asia, deren Zentrale sich in Malaysias Hauptstadt Kuala Lumpur befindet, mitsamt ihrer Tochtergesellschaften in südostasiatischen Ländern 85 Ziele an.
Billigflieger für Inselstaat
In einer Region, die durch viele Inselstaaten geprägt ist, revolutionierte das Preiskonzept von Fernandez seit 2001 den Flugreisemarkt. Air Asia zog dank seiner Preise in Indonesien Passagiere an, die noch nie ein Flugzeug von innen gesehen hatten – und denen das Bodenpersonal mühsam erklären musste, das lebende Hühner oder Ziegen im Gegensatz zu Busfahrten nicht als Reisegepäck in die Kabinen durften.
Jetzt muss Tony Fernandes seinen Kunden erklären, was aus der vermissten Maschine geworden ist. Abergläubische Asiaten denken bereits an mehr als Wetterprobleme, technische Probleme oder gar Entführungen. Denn das Jahr 2014 scheint für Malaysias Fluggesellschaften mit einem Fluch bedeckt. Der vermutliche Absturz von QZ8501 ist bereits die dritte Katastrophe, die das Land traf. Denn nur drei Monate nach dem spurlosen Verschwinden von MH370 wurde vermutlich von prorussischen Separatisten in der Ukraine MH17 auf dem Weg von Amsterdam nach Kuala Lumpur abgeschossen. 298 Insassen starben damals, darunter 80 Kinder.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.12.2014)