Niederlande: Kein Job für den weißen Mann

Niederländische Polizei
Niederländische Polizei(c) AP (BAS CZERWINSKI)
  • Drucken

Die sozialdemokratische Innenministerin wollte die Ernennung des bereits bestellten Polizeichefs für die Provinz Südholland nicht unterschreiben. Grund: Er ist männlich und weiß.

DORDRECHT/DEN HAAG. Die Einladungskarten waren schon gedruckt, der Saal für das Fest war bestellt: Vor Kurzem hätte der Polizeioffizier Teun Visscher feierlich in sein Amt als neuer Polizeipräsident der dicht besiedelten Provinz Zuid-Holland (Südholland) mit Sitz in Dordrecht eingeführt werden sollen. Er war von einer hochkarätig besetzten Bestellungskommission für diesen Posten als bester Kandidat ausgewählt worden. Auch der für Polizeifragen zuständige Bürgermeister von Dordrecht hatte Visscher bereits zum Polizeichef berufen.

Eigentlich hätte da nur noch eine Formsache erledigt werden müssen: Die niederländische Innenministerin, Guusje ter Horst, musste die Berufung des Polizisten in seine neue Funktion absegnen und dessen Ernennungsurkunde unterschreiben. Doch da kam alles anders: Ter Horst weigerte sich. Die lapidare Begründung: Teun Visscher sei ein „weißer, einheimischer Niederländer“, im niederländischen Beamtenjargon „blanker Autochthon“ genannt.

Neuer Polizeichef der Provinz mit ihren dreieinhalb Millionen Bewohnern und dem höchsten Industrialisierungsgrad des Landes müsse aber ein Farbiger werden – ein „swarter Allochthon“.

Frauen schon ausgeschieden

Eine Frau wäre als Alternativkandidatin zwar auch gegangen. Das aber wollte die Innenministerin in diesem Fall doch nicht vorschlagen – und zwar wohl, weil sie wusste, dass bereits zwei Frauen zusammen mit Visscher in die Schlussrunde der besten drei Kandidaten gekommen waren. Beide Damen sind aber letztlich ausgesiebt worden, weil sie, wie die Kommission befand, von ihrer Qualifikation her Visscher klar unterlegen waren.

Also sollte ein farbiger Mann mit Immigrationshintergrund auf den Posten gehievt werden. „Positive Diskriminierung“ nennt man das in den Niederlanden. Gemeint ist damit, dass bei der Besetzung von Führungspositionen vor allem im öffentlichen Dienst Frauen und Menschen mit Migrationshintergrund (und dabei vor allem solche mit nichtweißer Hautfarbe) gegenüber der „normalen“ einheimischen weißen Bevölkerung bevorzugt werden sollen.

Diese Idee wurzelt in den Achtzigerjahren des vorigen Jahrhunderts, als sie vor allem im ultra-multikulturellen Amsterdam eifrig praktiziert wurde. Jedenfalls so lange, bis man bemerkte, dass eine solche Politik zumindest einen entscheidenden Nachteil hat: Es wird nicht immer die für eine Stelle objektiv am besten geeignete Person berufen.

Später wurde die umstrittene Praxis, nicht die Qualifikation eines Bewerbers, sondern dessen Hautfarbe oder Geschlecht zum Maß aller Dinge bei Bewerbungen zu machen, wieder ad acta gelegt. Bis jetzt jedenfalls. Aber Anfang März holte die amtierende linke Innenministerin den alten Hut der positiven Diskriminierung wieder aus der Schublade.

25-Prozent-Quote

Sie will, dass mindestens ein Viertel aller Führungspositionen im öffentlichen Dienst von „farbigen allochthonen Männern“ oder von Frauen besetzt werden muss. Die Idealbesetzung nach dieser Logik ist da sowieso eine „farbige allochthone Frau“. Das wäre dann die positive Diskriminierung im Quadrat – zwei Fliegen mit einer Klappe, sozusagen.

Der Eifer, mit dem die sozialdemokratische Haager Innenministerin ihrem Projekt der positiven Diskriminierung nun eine Renaissance gönnen will, geht indes sogar vielen ihrer Parteigenossen zu weit. Aber nicht nur denen:

Eine breite Mehrheit der 150 Abgeordneten des Parlaments sprach sich zwischenzeitlich für die Berufung „des am besten Qualifizierten“ – und damit für die Berufung von Teun Visscher – aus. Der hatte sich als stellvertretender Polizeipräsident in der Region Gelderland schon vor langer Zeit eine hervorragende Reputation erworben und besitzt die beste Qualifikation für den Job, wie die Berufungskommission meinte.

„Das ist kurzsichtig“

Eine Rüge holte sich die politisch offenbar besonders korrekte Innenministerin auch vom ehemaligen Parteichef der Sozialdemokraten, Ruud Koole, derzeit Professor an der Universität Leiden: „Es ist kurzsichtig, eine Zahl oder einen Prozentsatz zu definieren, wie viele Führungspositionen von Frauen oder von Allochthonen besetzt werden müssen. Das führt dazu, dass Leute eingestellt werden, die für die Funktion, die sie erhalten, oft nicht qualifiziert sind“, kritisiert Koole seine Parteikollegin.

Da auch die meisten Medien des Landes das Feuer auf die 57-jährige Ministerin eröffneten, zeigten sich bei ter Horst bald Anzeichen, ob sie ihre Entscheidung revidieren wolle: So meinte sie zunächst, sie habe ihre Unterschrift zur Ernennung von Visscher erst einmal „aufgeschoben“.

Am Schluss doch eingeknickt

Und dann knickte sie ein: Vor wenigen Tagen unterschrieb sie unter dem öffentlichen Druck doch Visschers Bestellungsurkunde. Freilich mahnte sie gleichzeitig ein, die Polizei möge doch künftig Frauen und ethnische Minderheiten bei Einstellungen nach Möglichkeit bevorzugt behandeln.

LEXIKON. Die Provinz SüdHolland

Rund dreieinhalb Millionen der 16,5 Mio. Niederländer leben in Zuid-Holland (Südholland), jener am am dichtesten besiedelten und industrialisiertesten Provinz im Westen der Niederlande. Wichtige Städte sind u.a. Den Haag, Rotterdam, Dordrecht und Leiden. Sie ist eine der reichsten Regionen der EU.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.03.2009)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.