Frankreich: Dramatischer Auftakt beim Bettencourt-Prozess

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In Bordeaux begann am Montag vor dem Strafgericht die Gerichtsverhandlung wegen Ausnutzung der Altersschwäche der reichen L'Oréal-Erbin. Ein Angeklagter hat einen Selbstmordversuch unternommen.

Paris. Am ersten Tag des Prozesses fehlte im französischen Bordeaux einer auf der Anklagebank: Der ehemalige Krankenpfleger der Milliardärin Liliane Bettencourt, Alain Thurin (54), hatte am Vorabend des Verhandlungsbeginns einen Selbstmordversuch unternommen. Es stand nicht fest, ob er überleben würde. Der Prozess wegen Ausnutzung der Altersschwäche der heute 92-jährigen Liliane Bettencourt ist vertagt worden.

Dabei galt Thurin als „kleinster Fisch“ unter den insgesamt zehn Angeklagten, die alle beschuldigt werden, das durch die Alzheimer-Krankheit und Altersschwäche eingeschränkte Urteilsvermögen der reichsten Frau Frankreichs ausgenutzt zu haben. Laut Voruntersuchung sollte der Krankenpfleger gemäß einer testamentarischen Verfügung beim Ableben seiner Patientin zehn Millionen Euro erben. Das wären bei einem auf rund 27 Milliarden Euro geschätzten Vermögen der Alleinerbin des Kosmetikkonzerns L'Oréal fast schon eine Lappalie. Thurin beteuerte, er habe sofort den Verzicht auf eine solche kompromittierende Hinterlassenschaft erklärt.

„Nur noch“ 400 Millionen

Sein Akt der Verzweiflung hat den Prozessbeginn überschattet. Ob er auch die Richter beeindruckt, ist eine andere Sache. Diese waren beim Auftakt mit einer Reihe von Anträgen der Verteidiger konfrontiert, die entschlossen sind, die Anklage gegen ihre Mandanten allein schon aus formellen und auch verfassungsrechtlichen Gründen zu Fall zu bringen. Das ist ihnen teilweise auch geglückt.

Das Gericht zog sich zur Beratung der „Verfassungsbeschwerde“ zurück, die Fortsetzung der Verhandlung wurde auf Dienstag vertagt. Es geht in diesem Prozess vor allem um sehr viel Geld. Auf annähernd tausend Millionen Euro wurde ursprünglich der Gesamtbetrag aller Geschenke geschätzt, mit denen sich der Dandy und Jetset-Fotograf François-Marie Banier von der betagten Witwe verwöhnen ließ. In der Anklage werden ihm (nur) noch 400 Millionen angekreidet. Sechs Hausangestellte haben ihn schwer belastet und als „geldgierigen Manipulator“ beschrieben.

Auch der frühere Vermögensverwalter Patrice de Maistre habe das Vertrauen der Milliardärin missbraucht. In einem vom Butler heimlich aufgezeichneten Gespräch verlangte er von seiner Klientin 1,2 Millionen für eine Segeljacht. Politisch brisant wird der Prozess, weil de Maistre sehr enge Beziehungen zur konservativen UMP von Nicolas Sarkozy und namentlich zu deren Ex-Schatzmeister und Haushaltsminister ?ric Woerth unterhalten hat.

Laut Staatsanwaltschaft habe ihm de Maistre 2007 bei mehreren Treffen einen Teil von mindestens vier Millionen von einem heimlichen Konto Bettencourts in Genf zur Finanzierung von Wahlkampagnen ausgehändigt – was dieser bestreitet. In Verdacht stand ursprünglich auch Ex-Präsident Sarkozy, doch das Verfahren gegen ihn wurde mangels Beweisen und Aussagen eingestellt. (r. b.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.01.2015)

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