Gast im Land des vielen Geldes

UAE-EMIRATES PALACE HOTEL
UAE-EMIRATES PALACE HOTELEPA
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In den Vereinigten Arabischen Emiraten wird der Sand für die Hotels aus Australien importiert. Eine von vielen Skurrilitäten. Nach echten Sehenswürdigkeiten muss man hingegen suchen.

Feiner Sandstrand, klares türkisfarbenes Wasser, kleine Fische tummeln sich um die Waden des Badegasts, die untergehende Sonne malt einen goldgelben Teppich auf die Wellen. Gäbe es nicht statt eines endlos fernen Horizonts in Sichtweite eine Skyline aus Kränen, Betongerippen und bereits vollendeten gleißenden Hochhäusern, man wähnte sich an einem echten Strand an den Gestaden irgendeines Meeres in einer Region, die vom Klima bevorzugt ist.

In den Vereinigten Arabischen Emiraten zu urlauben bedeutet, nach nur 5,5 Flugstunden gegen einen vernünftigen Preis ein international übliches Zimmer zu bewohnen, durchwegs gute Hotelrestaurants mit Personal aus aller Herren Länder kennenzulernen, sich durch internationale Küche mit Einschlägen arabischen Geschmacks zu kosten – und unglaublich wenige Sehenswürdigkeiten vorzufinden.

Der Goldmarkt in Abu Dhabi: die Kopie eines alten arabischen Markts aus längst vergangenen Zeiten. Echt ist einzig das Gold, wenn auch in anderer Legierung als bei uns. Das Handicraft Center nahe dem Siebensternehotel Emirates Palace: die Kopie einer ansonsten verdrängten Lehmarchitektur, die Verkäuferinnen nicht aus den VAE, die Ware genauso wenig. Das Emirates Palace: sehenswert ob seiner gigantischen Ausmaße und seiner Ornamentik, aber das war es dann auch schon.

Auf der in recht kurzer Autofahrt von Abu Dhabi aus erreichbaren Insel Saadiyat (übersetzt: das Glück), die dasKunst- und Kulturcenter der Region werden soll, bietet ein Museumsquader eine Dauerausstellung über das, was es irgendwann zu sehen geben wird: den Louvre Abu Dhabi des Stararchitekten Jean Nouvel mit einer abgeflachten Kuppel, deren Unterbau Waagner Biro fertigt; das Guggenheim des nordamerikanischen Architekten Frank Gehry, das Zayed National Museum von Forster and Partners und Zaha Hadids New Performing Arts Center.

Doch bisher ist nur der Louvre in Ansätzen erkennbar. Rund um die Baustelle ist die Wüste zerfurcht von zahllosen Lkw, die Baumaterial herankarren. Heuer soll der Louvre eröffnet werden, aber das wurde auch schon für das Vorjahr gesagt. Allein 400 Mio. Euro lässt es sich der Scheich von Abu Dhabi kosten, dass man die Marke Louvre verwenden darf. Binnen einer Dekade sollen 300 Werke aus aller Welt zusammengekauft werden und Besucher anlocken.

Eine der vielen Skurrilitäten im Land des vielen Geldes und des rasenden Sprungs in die Hypermoderne: Der Sand für all die Museen und die Fünfsternehotels, die in Planung oder im Aufbau sind, muss aus Australien importiert werden, denn die unter den Fußsohlen so feinen Körnchen der Emirate sind für das Bauen ungeeignet.

Ungeeignet sind auch viele Kunstwerke für die Präsentation vor dem so traditionell und zugleich modernistischen heimischen Publikum. Aber in den Emiraten weiß der Gast ja nie, warum was wie und für wen geschieht. Trist ist die Lage der Billigbauarbeiter des Emirats, auch wenn Offizielle den guten Schutz der Gastarbeiter betonen. Im Vorjahr haben 130 internationale Künstler mittels Kunststreik versucht, die Arbeitsbedingungen der ausgebeuteten Männer zu verbessern. Erfolg fraglich.

Es gibt sie aber doch im Reich der Scheichs, die Sehenswürdigkeiten, die es tatsächlich wert sind, gesehen zu werden. Die große Moschee in Abu Dhabi etwa ist ein schneeweißes Baujuwel mit Dutzenden mit Halbedelsteinintarsien verzierten Säulen, einem riesigen marmorverfliesten Vorhof, einer gigantischen Kuppel und dem größten Swarovski-Luster der Welt. Sie steht jeder Besucherin und jedem Besucher ungeachtet der Herkunft und des Glaubens offen. Für Frauen, die keinen traditionellen schwarzen Mantel, die Abbaya, besitzen, gibt es einen solchen zu borgen. Kopftuch oder Schal hat man sinnvollerweise sowieso immer bei sich – als Schutz gegen zu kühle Klimaanlagen in Autos oder Hotelhallen.


Zeit vor dem Öl. Im drittgrößten und weit weniger als Abu Dhabi und Dubai bekannten Emirat Sharjah finden sich im Nationalmuseum moderne Kalligrafien – echte Kunstwerke, die leider nicht beworben werden. Sharjah ist sogar – eine Einmaligkeit – eine Kooperation mit dem Vatikan eingegangen und hat Exponate aus dessen Sammlung aus der islamischen Welt gezeigt. In der permanenten Ausstellung des dortigen Museums (arabisch: Mathaf) kann der Besucher einiges über das Leben der Golfaraber vor der Entdeckung des Öls erfahren – u. a., dass das Pferd den Islam nach Nordafrika gebracht hat und das Kamel in die Sahara. Die „Licht des Orients“-Ausstellung offeriert Exponate aus der Sammlung von Scheich Sultan bin Mohammed al-Quasimi, der sein kleines Reich auch zum Ort für die einzige Biennale der Region machte.

Eine Reise von Abu Dhabi in die Oasenstadt al-Ain an der omanischen Grenze dauerte mit dem Kamel fünf Tage. Heute schafft man die 160 Kilometer in zweieinhalb Stunden. Eine Distanz, die viele Emiratis aus Abu Dhabi am Wochenende gern überwinden, um dem zu entfliehen, was sie unaufhörlich bauen: vielspurigen Autobahnen, Shopping Malls und Hochhäusern. Al-Ain (arabisch: die Quelle) hat keine Hochhäuser und keine Malls, sondern die arabische Architektur mit schattenspendenden Arkaden und kleinen Geschäftslokalen erhalten. Die Oasenstadt al-Ain wird die „Gartenstadt des arabischen Golfs“ genannt. Schon auf dem Parkplatz vor dem Sultan-Bin-Zayed-Fort, das das al-Ain-Museum beherbergt, bieten Palmen Schatten. Das Museum zeigt das Leben der früheren Beduinen zwar im Charme der 1980er-Jahre, aber nach den vielen Hochhäusern ist genau das wie Labsal. Eine Art Naturmuseum schließt sich an das Fort an. Hinter hohen Lehmmauern findet man Schatten und Abkühlung. Dort werden 147.000 Dattelpalmen sowie Mangos, Orangen und Bananen kultiviert und bis heute mit dem uralten System der schmalen, offenen Kanäle bewässert.

Wer weitere Erholung von Autobahnen und Hochhäusern sucht, dem sei die 30-Kilometer-Fahrt zum 1240 Meter hohen Jebel Hafeet, einer Karstbergkette mit riesigem Plateau, empfohlen. Am Fuß des Berges fand man Gräber aus der Zeit von 3200–2700 vor Christus. Heute führt eine zweispurige Straße auf das Plateau mit dem 360-Grad-Ausblick. In 11,7 Kilometern überwindet man die 1200 Höhenmeter. Dringende Empfehlung: die Fahrt nicht zu Mittag zu wagen – es droht der Hitzschlag.

Die Autorin

Livia Klingl
ist Autorin in Wien. Sie war viele Jahre lang Außenpolitik-Chefin des „Kurier“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.02.2015)

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