Chinas Staatsmedien verschweigen Vogelgrippe

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150117 ZHENGZHOU Jan 17 2015 Wild animal protectors exam a swan in the Sanmenxia Reservoi(c) imago/Xinhua (imago stock&people)
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Obwohl in China ein gefährliches Virus umgeht, sind Berichte dazu selten. Mindestens elf Menschen sind in den vergangenen Wochen daran gestorben. Inzwischen erkrankten auch Kanadier. Schlimmstes Szenario: eine Pandemie.

Peking. In Ländern mit unabhängiger Presse sind es normalerweise die Medien, die bei Seuchen Alarm schlagen. Nicht aber in China: Seit Wochen sind die Gesundheitsbehörden alarmiert und warnen vor einer neuen Welle der Vogelgrippe. Doch die meist staatlich kontrollierten Medien berichten allenfalls klein darüber. Fragt man die Geflügelhändler auf den Pekinger Märkten, erntet man Achselzucken. Die meisten haben vom neuerlichen Ausbruch der Viruserkrankung noch nicht einmal gehört.

Dabei ist die Lage in diesem Winter durchaus ernst. Seit November sind mehr als 50 Menschen an der Vogelgrippe des Typs H7N9 erkrankt, mindestens elf von ihnen sind gestorben. Das staatliche Gesundheitsamt berichtet von 15 weiteren Patienten, die sich im Krankenhaus in kritischem Zustand befinden. Infektionen mit dem H7N9-Virus wurden sowohl aus den Provinzen Guangdong und Fujian in Südchina als auch aus den ostchinesischen Provinzen Zhejiang, Jiangsu, Jiangxi, Shandong, der Hafenmetropole Shanghai und der Region Xinjiang im Nordwesten gemeldet. Trotzdem berichten die Staatsmedien nur sehr spärlich darüber.

Am Dienstag ist zudem bekannt geworden, dass sich eine Kanadierin angesteckt hat. Sie soll sich auf einer China-Reise infiziert und das Virus wahrscheinlich auch auf ihren Mann übertragen haben. Beide leiden nach kanadischen Behördenangaben derzeit unter Fieber und Husten, ihr Gesundheitszustand soll aber so stabil sein, dass sie vorerst nicht ins Krankenhaus müssten. Sie würden sich in selbst auferlegter Isolation erholen.
Erstmals wurde damit ein Fall von Vogelgrippe des Typs H7N9 auch in Nordamerika festgestellt. Diesen Erregerstamm haben Wissenschaftler erstmals vor zwei Jahren in China entdeckt. Er gilt auch deswegen als so gefährlich, weil vermutet wird, dass er nicht nur vom Tier auf den Menschen, sondern auch von Mensch zu Mensch übertragen werden kann. Bei einem anderen Virus-Subtyp namens H5N8, der zuletzt auch Geflügel in Deutschland befiel, wird eine Übertragung auf Menschen bisher nicht angenommen.

Ein Drittel der Infizierten tot

Die Angst der Experten ist: H7N9 könnte so weit mutieren, dass er bei der Mensch-zu-Mensch-Übertragung eine Pandemie auslösen könnte. Davon gehen die Forscher bis dato aber nicht aus. Kanadas Gesundheitsministerin, Rona Ambrose, versicherte, dass das Risiko einer Ansteckung sehr gering sei. Die bisher weltweit 500 Infizierten sind alle aus China gekommen, ein Drittel davon ist gestorben. Die meisten Infektionen konnten auf direkten Kontakt mit Geflügel zurückgeführt werden.

Warum in China dennoch so wenig darüber berichtet wird, dürfte vor allem wirtschaftliche Gründe haben. Solche Berichte würden in China immer eine „Überreaktion in der Öffentlichkeit“ auslösen, zitiert die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua einen Geflügelhändler in der Provinz Fujian. Allein im vergangenen Winter soll die Vogelgrippe die chinesische Geflügelindustrie umgerechnet mehr als fünf Milliarden Euro gekostet haben. „Der Ausbruch lässt unseren Absatz fallen“, sagt der Geflügelhändler aus Fujian.

Ganz anders hingegen ist die Lage auf der Insel Taiwan, die formal zwar zu China gehört, faktisch aber unabhängig ist. Rund 300 Geflügelfarmen sind dort betroffen. Die Behörden haben bisher eine halbe Million Tiere gekeult. Dabei wurden lediglich die Virustypen H5N2 und H5N3 entdeckt, die für Menschen sehr viel weniger gefährlich sind als H7N9. Anders als auf dem Festland sind die Zeitungen hier aber seit Wochen voll von Vogelgrippe-Geschichten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.02.2015)

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