Das grenzenlose Geschäft mit Organen

ORGAN CARE SYSTEM - NEUER SPENDERORGANTRANSPORT
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Der illegale Markt wird von der Knappheit der Spenderorgane angeheizt. Die Wartelisten sind lang.

Der Organspender kommt aus einer armen Gegend in Costa Rica, der Empfänger aus den USA, der Mittelsmann ist Israeli, operiert wird in einem Spital in San José, der Hauptstadt Costa Ricas. Der Chirurg kommt ebenfalls aus Costa Rica und gilt dort als angesehener Transplantationsspezialist.

Das Geschäft mit illegalen Organverpflanzungen ist ein globales Business – wie der Fall aus Costa Rica zeigt, der vor wenigen Monaten für internationale Schlagzeilen gesorgt hat. Die Akteure kommen aus aller Welt, Mittelsmänner bringen sie zusammen: Auf der einen Seite stehen verzweifelte Patienten aus Industrieländern, die fast alles tun würden, um ihr Leben zu retten. Sie wenden sich an die „Broker“, die über das Internet agieren oder in Zeitungen Anzeigen schalten. Oder sie stehen direkt in Kontakt mit den Ärzten oder Krankenschwestern in Kliniken, die ebenfalls in dieses Geschäft involviert sind.

Die Mittelsmänner gehen gezielt in Armenviertel in Entwicklungs- und Schwellenländern wie Indien, Pakistan, Brasilien, auf den Philippinen oder Costa Rica. In Europa werden immer wieder die Ukraine, Rumänien und Moldau als jene Länder genannt, in denen Menschen bereit sind, sich eine Niere abkaufen zu lassen.

Viele der Spender wissen nicht, worauf sie sich einlassen, müssen Formulare in einer fremden Sprache unterschreiben oder können überhaupt nicht lesen, heißt es seitens des UNO-Büro für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC) in Wien. Und für sie gibt es oft keine medizinische Nachbetreuung: Die Spender fliegen nach Hause zurück, gesundheitliche Probleme treten oft erst später auf und machen ein Leben lang Schwierigkeiten. Mit dem Geld – nur ein Bruchteil des Honorars, das der Mittelsmann kassiert – erhoffen sie sich, eine neue Existenz aufbauen zu können. Die Transplantation selbst findet meist in einem dritten Land statt.

Ärzte führen die Operationen nach Dienstschluss oder am Wochenende durch und verdienen sich damit ein schönes Zubrot zu ihren meist niedrigen Gehältern. Die Krankenhausleitung drückt ein Auge zu, ist oft wirklich ahnungslos oder hat sich ohnehin auf medizinischen Tourismus – ob legal oder illegal – spezialisiert. Der Handel mit „menschlichen Ersatzteilen“ ist jedenfalls ein lukrativer Wirtschaftszweig: Das zeigen Untersuchungen der Weltgesundheitsorganisation, des Europarats und der Vereinten Nationen. Die WHO schätzt, dass bis zu zehn Prozent der weltweit durchgeführten Organverpflanzungen illegal sind.

Viele erleben Zeitpunkt nicht. Angeheizt wird der Markt durch die Knappheit der Spenderorgane. Weltweit werden pro Jahr mehr als 100.000 Transplantationen durchgeführt: Knapp 74.000 Menschen erhalten eine neue Niere, mehr als 22.000 eine neue Leber und etwa 5500 ein neues Herz. Der Bedarf liegt aber weit höher, die Wartelisten sind lang. Viele der Patienten auf der ganzen Welt werden den Zeitpunkt, wann sie an der Reihe sind, nicht erleben.

Laut Eurotransplant – die Organisation koordiniert über Staatsgrenzen hinweg den Austausch von Spenderorganen in acht europäischen Ländern inklusive Österreich – warten 14.928 Menschen auf ein Organ. International liegt Österreich mit rund 22,6 Organspenden pro Million Einwohner im Spitzenfeld. Grund dafür ist die gesetzliche Regelung: Hierzulande muss man Widerspruch einlegen, will man im Fall eines Hirntods nicht als Organspender dienen. Anders die Regelung in Deutschland: Dort gilt, dass nur demjenigen, der zu Lebzeiten zustimmt, Organe entnommen werden dürfen. Das führt zu einem eklatanten Engpass: Auf eine Million Einwohner kommen 12,5 Spender – damit rangiert Deutschland im europäischen Vergleich im unteren Drittel.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.02.2015)

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