China: Korrupte Kader auf der Abschussliste

File photo of China´s President Xi waiting to greet Cuba´s First Vice President of the Council of State Diaz-Canel in Beijing
File photo of China´s President Xi waiting to greet Cuba´s First Vice President of the Council of State Diaz-Canel in Beijing(c) REUTERS (POOL)
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Seit zwei Jahren geht Präsident Xi Jinping streng gegen Korruption in der kommunistischen Partei vor. Die Kampagne scheint jedoch ein Vorwand zu sein, um seine Macht zu konsolidieren.

Peking/Wien. Nicht nur kleine Fliegen wolle er fangen, sondern auch große Tiger, verkündete Chinas Staatschef, Xi Jinping, kurz nach seinem Amtsantritt 2012 und löste damit die größte Antikorruptionskampagne in der Geschichte Chinas aus. Mit der Festnahme des Parteifunktionärs Su Rong ging Xi diese Woche jedenfalls ein großer Fang ins Netz: Su ist Vizepräsident der chinesischen Konsultativkonferenz und war lange Parteiboss der Provinzen Jiangxi und Gansu. Er habe seine Macht missbraucht, Bestechungsgelder angenommen und Postenschacher betrieben, heißt es in einem Bericht der KP-Disziplinarkommission.

Die zwei Jahre dauernde Kampagne soll der grassierenden Korruption in Parteikreisen Einhalt gebieten und zugleich deren Image stärken: Korruption ist in China Teil des politischen Systems. Sie ist ein Mittel, um Loyalität zu schaffen und politische Gestaltungsfreiheit zu erkaufen. Die Leidtragenden jedoch sind oftmals einfache Bürger.

Trotz der politischen Bedeutung korrupter Praktiken scheint die Kampagne zu fruchten: Die Wirtschaft klagt etwa über Umsatzeinbußen im Luxussegment. So ist der Verkauf teurer Handtaschen und Uhren in den letzten Jahren deutlich zurückgegangen. Ökonomen sehen das strenge Vorgehen gar als Grund für das stagnierende Wirtschaftswachstums Chinas.

Zudem sei eine zunehmende Verunsicherung in der Partei zu bemerken, sagt Kristin Shi-Kupfer vom deutschen Mercator-Institut für Chinastudien: Spitzenbeamte scheuten sich aus Angst, sie oder ihre Patrone könnten der Korruption bezichtigt werden, politische Maßnahmen umzusetzen.

Prinzlinge werden verschont

Umstritten ist Xi Jinpings Prestigeprojekt auch aus einem anderen Grund: Es könnte ein Vorwand sein, um seine eigene Macht zu konsolidieren. Dabei ist Xi nicht der einzige Staatschef Chinas, der sich dieses Mittels bedient. Schon seine Vorgänger setzten Antikorruptionsfeldzüge ein, um Gegner auszuschalten und durch loyale Mitarbeiter zu ersetzen. Allerdings ist die jetzige Säuberung deutlich länger und tiefgreifender als frühere Kampagnen: Allein vergangenes Jahr wurden rund 72.000 korrupte Parteimitglieder belangt – darunter auch 68 Tiger.

Dass die Kampagne politisch motiviert ist, zeigt ein Blick auf die „Opfer“. So blieben die sogenannten Prinzlinge, die Nachkommen altgedienter Parteigranden, bisher nahezu verschont. „Das bedeutet nicht, dass sie weniger korrupt sind. Aber für Xi sind sie als politische Verbündete zu wichtig“, erklärt Shi-Kupfer. Denn der Staatschef ist als Sohn eines Revolutionskämpfers und Parteiälteren selbst so ein Prinzling.

Wie ernst Xi es meint, wird auch an der wachsenden Bedeutung der Disziplinarkommission, des zentralen Organs der Antikorruptionskampagne, deutlich: Ihre Führungsgruppe ist mit einer ranghohen Besetzung so stark wie nie zuvor in die Gesamtverwaltung Chinas involviert. Da sich das Vorgehen der Kommission nur nach parteiinternen Statuten und nicht nach Gesetzen richtet, kann sie rechtlich nicht belangt werden.

Zudem ist ihr Wirken öffentlich nicht transparent, schildert Shi-Kupfer: „Auch die Angehörigen verdächtigter Beamter wissen oft nicht, wo diese für Befragungen festgehalten werden. Erst wenn ein Spitzenbeamter parteiintern für schuldig befunden und aus der Partei ausgeschlossen worden ist, wird der Fall den zuständigen Justizbehörden übergeben.“ Selbst innerhalb der Partei habe sich daher Unmut breit gemacht.

Ungeachtet ihrer politischen Wirkung zweifeln Kritiker die Effektivität der Kampagne an: Um Korruption in China dauerhaft zu bekämpfen, mangle es an grundlegenden politischen Reformen und internen Kontrollmechanismen wie unabhängigen Medien. Noch lange kein Ende also in Sicht bei der Jagd auf Fliegen und Tiger.

AUF EINEN BLICK

Im Kampf gegen Korruption wurde 2014 in China gegen 72.000 Beamte ermittelt – darunter 68 hochrangige Kadermitglieder. Zuletzt wurde Su Rong, Vizepräsident der Konsultativkonferenz, inhaftiert. Das berühmteste Ziel der Kampagne, die politisch motiviert zu sein scheint, ist der frühere „Sicherheitszar“ Zhou Yongkang. Er wurde mit seinem ganzen Netzwerk zu Fall gebracht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.02.2015)

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