Chinesen auf Reisen: Auf Nostalgie-Trip durch Nordkorea

Nordkorea
Nordkorea(c) ORF
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Ein abgeschottetes Land im fernen Ostasien setzt auf Tourismus: Nordkorea. Die Chinesen haben die stalinistische Diktatur bereits als idyllischen Urlaubsort entdeckt.

Peking. Februar ist in China Hauptreisezeit. Zum traditionellen Frühlingsfest nutzen viele zu Wohlstand gekommene Chinesen die freien Wochen, um sich unter die Sonne Thailands zu legen. Oder sie fliegen auf Einkaufstour nach Europa oder in die USA. Doch Flugtickets sind seit Wochen rar oder überteuert. Chinesische Reisebüros und auch die Reiseteile der großen Zeitungen werben daher seit einiger Zeit für ein besonders „idyllisches Land“: Nordkorea.

So sehr sich die letzte stalinistische Diktatur auch politisch und wirtschaftlich vom Rest der Welt abgeschottet hat, zumindest in einem Sektor will Nordkoreas Führung das Land öffnen: im Tourismus. Der seit zwei Jahren amtierende Machthaber, Kim Jong-un, hat das Ziel ausgegeben, 100.000 Besucher aus dem Ausland nach Nordkorea zu locken – vor allem aus China. Aber auch dem Rest der Welt will Nordkorea sich als Feriendomizil anbieten. Auf der Berner Ferienmesse Mitte Jänner in der Schweiz war auch der Stalinistenstaat mit einem großen Stand vertreten.

Zumindest die chinesische Führung in Peking kommt dem Bruderstaat entgegen. Im ersten Halbjahr 2014 haben nach Angaben von Chinas staatlicher Tourismusbehörde bereits rund 30.000Touristen die Grenze von China nach Nordkorea überquert. Dieses Jahr sollen es im gleichen Zeitraum doppelt so viele werden.

Nun versucht China, das Grenzgebiet zu Nordkorea und Russland mit einer internationalen Tourismuszone attraktiver zu machen. Besucher sollen künftig ohne Visum Zugang zu dem Dreiländereck erhalten und dort auch zollfrei einkaufen können, berichtet die chinesische staatliche Nachrichtenagentur Xinhua unter Berufung auf Regierungsvertreter. Der Gouverneur von Chinas nordöstlicher Provinz Jilin werde noch in diesem Jahr einen entsprechenden Entwurf für das Reisegebiet am Fluss Tumen entwerfen, heißt es.

Langfristig soll die Tourismuszone auch von Südkorea, Japan und der Mongolei per Auto, Bahn und Flugzeug erreichbar sein. Der Bau einer Hochgeschwindigkeitsstrecke von der nordchinesischen Provinzhauptstadt Shenyang bis zur Grenzstadt Hunchun ist quasi schon abgeschlossen. Sie soll irgendwann auch das rund 130 Kilometer entfernte Wladiwostok anbinden.

Neuer Flughafen in Bau

Aber auch Nordkorea ist am Investieren. Seit vorigem Herbst bauen tausende Soldaten an einem neuen Flughafen, wie auf Filmaufnahmen zu sehen ist, die das Staatsfernsehen regelmäßig ausstrahlt. Wie bei Großvorhaben in dem Land üblich sind sie in einheitlicher olivfarbener Uniform gekleidet und verrichten sogar die Arbeiten weitgehend synchron. Riesige Schilder weisen sie darauf hin, ihre Aufgaben in „Korea-Geschwindigkeit“ auszuüben. Aus Lautsprechern dröhnt patriotische Musik. Der neue Flughafen soll nach nur einem Jahr Bauzeit diesen Sommer eröffnen. Mit Air China fliegt derzeit eine internationale Fluggesellschaft Pjöngjangs alten Flughafen an.

Individualtourismus will Nordkoreas Führung allerdings auch künftig nicht zulassen. Wer eigenhändig Pjöngjang erkunden will, braucht eine spezielle Genehmigung der staatlichen Tourismusbehörde und wird dann auf Schritt und Tritt von einem extra zugewiesenen „Fremdenführer“ begleitet. „Zur eigenen Sicherheit“, heißt es zur Begründung.

Chinas Reiseanbieter machen kräftig Werbung: Eine „Reise in die Vergangenheit“ verspricht etwa ein Pekinger Anbieter für eine Pauschalreise. Auf dem Programm steht die Besichtigung der alten Königspaläste in Kaesong und des Diamantgebirges mit seinen smaragdgrünen Bergseen. Auch ein Besuch im Geburtshaus des Staatsgründers und „ewigen Führers“ Kim Il-sung sowie eine Fahrt mit „Einheimischen in der tiefsten U-Bahn der Welt“ ist vorgesehen. Doch die Sehenswürdigkeiten stünden für die meisten chinesischen Reisenden nicht im Vordergrund, schreibt ein Reisereporter der „China Daily“. Viel mehr genössen sie die Stille und die menschenleeren Straßen – und stünden auf die Nostalgie. Vieles am Stadtbild von Pjöngjang erinnerte auch den Reporter an Peking vor 30 Jahren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.02.2015)

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