Amerikas großes Herz für Generäle

File photo of U.S. Army Gen. Petraeus and U.S. President Obama at event in the East Room of the White House
File photo of U.S. Army Gen. Petraeus and U.S. President Obama at event in the East Room of the White House(c) REUTERS (LARRY DOWNING)
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Der Kriegsheld David Petraeus belog das FBI und gab geheime Akten an seine Geliebte weiter. Vor Gericht muss er nicht. Hohen Militärs verzeiht man hier seit Jahrzehnten vieles.

Washington. General George Patton, der amerikanische Weltkriegsheld, machte aus seinem Herzen keine Mördergrube: „Die Juden sind niedriger als Tiere“, schrieb er 1945 in sein Tagebuch. Sie hätten „keinen Sinn für menschliche Beziehungen“ und würden wie „Heuschrecken“ leben.

Kaum einem Amerikaner ist Pattons Judenhass bekannt, sie kennen nur sein gepflegtes Image als Held der alliierten Landung an den Stränden der Normandie. Im Jahr 2000 kam er in einer Meinungsumfrage von Gallup auf den ersten Rang der größten Generäle der Vereinigten Staaten. Dritter, hinter Dwight Eisenhower, wurde Douglas MacArthur, der sich als US-Truppenkommandeur im Korea-Krieg dem Oberbefehl von Präsident Harry Truman widersetzte und beinahe einen Atomkrieg gegen China vom Zaun brach.

Die Amerikaner verehren ihre militärischen Führer. Der Zauber der Montur stellt charakterliche Abgründe und strafrechtliche Verfehlungen in den Schatten. Während die öffentliche Meinung Fehltritte von Politikern erbarmungslos verurteilt und Beamte niedrigen Ranges wegen der Weitergabe von Informationen an die Presse mit der vollen Wucht des Strafrechts verfolgt werden, drücken Bürger und Justiz bei den Herren mit den glänzenden Sternen auf den Schulterklappen oft beide Augen zu.

Petraeus belog das FBI

Derzeit kann man das am Fall von David Petraeus beobachten. Der Viersternegeneral in Ruhe und frühere CIA-Direktor ist einem Strafprozess wegen der verbotenen Preisgabe geheimer Regierungsdokumente entgangen. Seine Anwälte einigten sich mit dem Justizministerium darauf, dass er gesteht, Verschlussakten unerlaubterweise an sich genommen zu haben.

Im Gegenzug akzeptiert er eine auf zwei Jahre zur Bewährung ausgesetzte Freiheitsstrafe samt Geldbuße von 40.000 Dollar (rund 36.000 Euro). Und die Bundesstaatsanwaltschaft verzichtet auf eine Anklageerhebung und erspart dem 62-Jährigen ein öffentliches Gerichtsverfahren, das peinliche Einblicke in Petraeus' außereheliche Affäre mit seiner Biografin Paula Broadwell eröffnet, das Risiko einer schwereren Strafe und auf jeden Fall das Ende seiner politischen und finanziellen Karriereaussichten bedeutet hätte.

Petraeus war im Jahr 2007 von Präsident George W. Bush mit der Aufgabe betraut worden, den blutigen Aufstand sunnitischer Islamisten und früherer Anhänger des Regimes von Saddam Hussein zu bekämpfen. Das gelang ihm kraft einer starken Erhöhung der Truppenzahlen („Surge“ genannt) und vor allem mittels der diplomatisch schlau eingefädelten Einbindung sunnitischer Stammesführer.

Petraeus verstand es, geschickt auf der Tastatur der Öffentlichkeit zu spielen, er umging die offizielle Befehlskette, indem er direkt im Weißen Haus vorsprach, hielt sich die Medien mit direktem Zugang und ungestörtem Informationsfluss gewogen und lud so bald zu Spekulationen ein, er plane eine republikanische Präsidentschaftskandidatur. In Afghanistan blieb ihm ab 2010 zwar der irakische Erfolg verwehrt, Bushs Nachfolger, Barack Obama, machte Petraeus dennoch ein Jahr darauf zum CIA-Direktor.

In seiner Zeit in Kabul wurzelt Petraeus' Verhängnis. Er begann eine Affäre mit der mehr als 20 Jahre jüngeren Broadwell und lieh ihr acht Notizbücher mit Codenamen und militärischen Plänen der USA im Kampf gegen die Taliban. Die Affäre flog auf, Petraeus trat im November 2012 zurück. Als ihn das FBI fragte, ob er diese Bücher noch habe, log er. FBI-Agenten fanden sie im April 2013 bei einer Razzia seines Hauses.

Seiner Karriere hat das seither nicht geschadet, auch wenn das Weiße Haus nun unerreichbar sein dürfte. Petraeus berät gegen den Private-Equity-Fonds Kohlberg Kravis Roberts und lehrt in Harvard und Princeton. Sein Fall erinnert ein wenig an jenen des Oberstleutnants Oliver North, dessen führende Rolle in der Iran-Kontra-Affäre (Geld aus dem illegalen Verkauf von Waffen an den Iran finanzierte rechtsextreme Contra-Milizen in Nicaragua) seiner späteren Karriere als TV-Militäranalyst und Berater von Fernsehproduktionen keinen Abbruch tat.

AUF EINEN BLICK

David Petraeus trat Ende 2012 als CIA-Direktor zurück, nachdem seine Affäre mit seiner Biografin bekannt geworden war. Zudem kam heraus, dass er ihr streng geheime Informationen über US-Militäroperationen in Afghanistan gegeben hatte. Nun entgeht er im Gegenzug für ein Schuldeingeständnis einem Strafprozess.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.03.2015)

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