Stellenausschreibung: Arzt für Antarktis gesucht

Die Antarktis-Basis
Die Antarktis-Basis "Concordia"DLR/ESA
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Die ESA sucht für die isolierte italienisch-französische Antarktisbasis "Concordia" medizinisches Personal für ein Jahr von Ende 2015 bis Ende 2016. Ärzte in allen ESA-Staaten, darunter Österreich, können sich bewerben.

Diese Stellenausschreibung ist im wahrsten Sinne des Wortes cool: Die Europäische Weltraumagentur ESA ist in allen Staaten, die an ihr beteiligt sind - darunter Österreich - auf der Suche nach einem Arzt bzw. einer Ärztin, der bzw. die ein ganzes Jahr lang in der extrem abgelegenen Forschungsstation "Concordia" weit im Inland der Antarktis leben und arbeiten möchte.

Die Station befindet sich auf dem Antarktischen Plateau, einer völlig flachen Hochebene aus Schnee und Eis im australischen Sektor des Eiskontinents in etwa auf einem Drittel der Strecke vom Meer - dem Südlichen Ozean unterhalb Australiens - zum Südpol. Der Ozean ist an seiner nächsten Stelle, im Norden, rund 930 Kilometer entfernt (hängt von der Eislage ab), der Südpol mitsamt der US-Basis Amundsen-Scott rund 1670 km. Die nächste Basis und menschliche Siedlung ist die russische Station "Wostok", 560 km entfernt.

In der Eiswüste

Dazwischen und im ganzen Umkreis ist im wahrsten Sinne des Wortes nur unbelebte Eiswelt, wo es einigermaßen frisch ist: Jetzt im März misst man in Concordia tägliche Höchsttemperaturen von im Schnitt -48,7 Grad Celsius und mittlere Minimalwerte von -59,4°C. Wärmer als -25° wird es im Lauf des Jahres selten. Am bisher heißesten Tag, es war ein Jännertag, also im Hochsommer auf der Südhalbkugel, maß man einmal -5,4 Grad. Der Kälterekord liegt bei -84,6°, gemessen im August anno 2010 im südlichen Hochwinter.

Karte mit Antarktisbasen, Concordia ist als
Karte mit Antarktisbasen, Concordia ist als "Dome C" im rechten unteren Quadranten unterhalb der auffälligen Station "Wostok"rechts Wikipedia

Hier auf Google-Maps: Man muss auf "Satellit" umstellen und hat dann eine schöne Nahansicht von oben, danach muss man weit herauszoomen.

Die Forschungsbasis Concordia, die an einem Ort namens "Dome C" steht, wird gemeinsam vom Französischen Polarinstitut IPEV und dem Italienischen Antarktis-Programm betrieben und existiert in der jetzigen Form seit 2004; zuvor hatte es bei Dome C seit Mitte der 1990er Sommerlager gegeben, im Rahmen derer man hauptsächlich Bohrungen in die polare Eiskappe vornahm. Concordia ist eine von wenigen ganzjährig betriebenen Stationen fern der Küste und wird in der Regel von einem Dutzend Personen (bisher waren es je zehn bis 15) bewohnt. Ihr Zweck ist heute unter anderem Astronomie, Klimabeobachtung und der Test kältetauglicher Geräte.

Versuchslabor für Marsflug

Immer wichtiger wird Concordia in den letzten Jahren als medizinisch-psychologisch-soziologisches Versuchslabor für das Studium von Menschen und deren Verhalten, Bedürfnissen und Problemen bei Langzeit-Isolation. Immerhin ist die Basis wetterbedingt auch von Mitte Februar bis Mitte November nicht erreichbar und faktisch isoliert, bei den extremen Temperaturen funktionieren nämlich Flugzeuge und Landfahrzeuge nicht mehr, zudem herrscht über mehrere Monate Finsternis.

Die Station von oben
Die Station von obenWikipedia/G. Dargaud

Wegen der Isolation ist die Station auch für die Raumfahrtagentur ESA von Interesse: Concordia fungiert als Versuchslabor für Langzeit-Raumflüge, Stichwort Mars, die mehrere Nationen, auch Russland und die USA, für die 2030er-Jahre sehr ernsthaft planen und allein für die Hin- und Rückreise mit je mindestens sechs Monaten angesetzt werden, zuzüglich mindestens sechs Monaten Aufenthalt auf dem Mars - das hängt von den jeweiligen Planetenkonstellationen ab.

Verwendung nicht primär als Stationsarzt

Der für den einjährigen Aufenthalt gesuchte Mediziner indes soll nicht primär als Stationsarzt verwendet werden: Er wird physiologische und psychologische ESA-Experimente an den anderen Crewmitgliedern durchführen, sie studieren, wie sie sich an die Umstände anpassen, gleichzeitig aber auch selbst Objekt von Untersuchungen und Experimenten sein. Zu den absehbaren Arbeitsfeldern und Experimenten zählen laut ESA solche aus dem Feld der Immunologie, Neurologie, Psychologie, Knochengesundheit und Schlafforschung.

Winterszene, klarer Blick auf die Milchstraße, Polarlichter
Winterszene, klarer Blick auf die Milchstraße, PolarlichterAlexander Kumar/Erick Bondoux

Wichtig im medizinischen Kontext ist auch die Tatsache, dass die Hochebene, auf der Concordia steht, in einer Höhe von 3233 Meter über dem Meer liegt, im Vergleich zum Äquator sind es fast 4000 Meter. Der lokale Luftdruck beträgt im Schnitt 0,64 bar, die Bewohner der Basis leben folglich in einem Zustand chronischer Sauerstoffunterversorgung (Hypoxie). 

In einem Versuch namens "Simskill" geht es sogar sehr konkret um Raumfahrt: Das ist ein Raumschiff-Simulator, mittels dessen die Crew Simulationseinheiten für eine Reihe verschiedener Grundanforderungen für Sojus-Trägerraketen, etwa Docking- und Rendezvousmanöver, durchspielt. Die "Raumfahrer" werden dabei medizinisch überwacht, man zeichnet etwa den Herzschlag auf, zu Kontrollzwecken werden die gleichen Simulationen von Personen in Deutschland und in der britischen Antarktis-Station "Halley VI" durchgeführt.

Der letztlich ausgewählte medizinische Kandidat wird freilich notfalls auch zur Unterstützung des eigentlichen Stationsarztes bei Akutfällen und zu präventivmedizinischen Zwecken herangezogen. 

Noch einige Informationen zur Station: Die Versorgung erfolgt in den Sommermonaten durch Spezialfahrzeuge von der großen, ganzjährig bewohnten französischen Basis "Dumont D'Urville", 1200 km entfernt an der Küste des französischen Antarktis-Anspruchssektors (30 bis 120 Bewohner); leichtere Fracht und Personal fliegt man von D'Urville oder der etwa gleich weit entfernten, nur im Sommer besetzten italienischen Basis "Mario Zucchelli" im neuseeländischen Sektor ein. Die australische Ganzjahres-Station "Casey" an der Küste ist 1100 km entfernt.

Versorgungskonvoi aus Dumont D'Urville
Versorgungskonvoi aus Dumont D'UrvilleESA

Die Winde sind meist eher schwach, der Niederschlag ist gering und das Wetter meist klar und wolkenlos. Tiere und Pflanzen gibt es nur an den Küsten der Antarktis, im Eis des Landesinneren findet man bestenfalls Mikroben und Sporen, es werden allerdings gelegentlich große Raubmöwen hoch über Concordia gesichtet, von denen man annimmt, dass sie mit den Winden die Antarktis queren können. Die Eisbohrungen der 1990er-Jahre und bis 2004 bei Dome C kamen bis in 3270 Meter Tiefe, man stoppte nur fünf Meter über dem eigentlichen Felsboden des Kontinents darunter. Anhand der Bohrkerne konnte man Klimaveränderungen ablesen, das älteste Eis darin hat man auf ein Alter von etwa 900.000 Jahren datiert. Bei solchen Bohrungen in der Antarktis wurden übrigens schon lebende Bakterien und primitive einzellige Mikroorganismen in Tiefen von mehreren hundert Metern gefunden.

Männer in der Überzahl

Aufgrund der frischen Temperaturen werden die Gebäude von Concordia, die beiden größten ähneln zwei riesigen Tonnen, nur unter entsprechenden Vorbereitungen und dick gewandet verlassen. In der Regel dürfen nur mindestens zwei Personen gleichzeitig ins Freie, ausgestattet mit Funkgeräten. Die Kleidung umhüllt den Körper vollständig bis auf die durch eine Schutzmaske geschützte Augenpartie; verrutscht der Gesichtsschutz drohen rasch Erfrierungen sogar im Mund/Rachenraum.

An einem milderen Tag...
An einem milderen Tag...Alexander Kumar/Erick Bondoux
... mit Vollschutz an einem kühleren Tag.
... mit Vollschutz an einem kühleren Tag.Alexander Kumar/Erick Bondoux

Naturgemäß waren die meisten Insassen von Concordia bisher Franzosen und Italiener, es waren auch schon etwa Briten, Russen und Tschechen zu Gast. Männer sind in der Regel massiv in der Überzahl. Beispiel für eine typische Zusammensetzung der Crew: Jene der Überwinterung 2014 bestand aus sechs Franzosen, fünf Italienern, je einem Griechen und Russen. Die Funktionen (teils überschneidend): Stationschef, Elektriker, Koch, Arzt, Mechaniker (auch Kfz), biomedizinischer Forscher, Physiker, wissenschaftlicher Elektrotechniker, Chemiker (damals die einzige Frau), Computer-/Telekomexperte, Heizungstechniker/Installateur, Astronom, Klimaforscher.

Endauswahl im Mai in Paris

Das Kandidatenprofil für den gesuchten Arzt/die Ärztin laut Information der ESA: Grundsätzliches Interesse an der Antarktis, Kälteerfahrung, Doktorat der Medizin oder vergleichbarer Titel, Interesse an wissenschaftlicher Arbeit, bestenfalls Labor-Erfahrung, kein Suchtproblem, beste Gesundheit, sehr gute Konversationfähigkeit auch fachbezogen in Englisch; Französisch und/oder Italienisch wäre von Vorteil.

Mittwintergrüße 2012
Mittwintergrüße 2012ESA/IPEV

Die Anstellung geschieht vertraglich über das Französische Polarinstitut, das die Bewerber aufgrund ihrer Bewerbungsschreiben inklusive Letter of Motivation und CV auswählt. Die Schreiben können bis Einsendeschluss am1. April(Achtung: kein Aprilscherz!!!!) an die ganz unten angegebene E-Mail-Adresse geschickt werden. Drei bis fünf Kandidaten werden für Mai zur Endauswahl nach Paris geladen werden. Die Abreise in die Antarktis ist für den Zeitraum November 2015/Jänner 2016 angesetzt, ab dann dauert der Einsatz zwölf oder 13 Monate. Über die Entlohnung ist noch nichts bekannt.

Die Anreise führt wohl über die französische Basis Dumont D'Urville an der Küste
Die Anreise führt wohl über die französische Basis Dumont D'Urville an der KüsteSamuel Blanc

Haben Sie Interesse, an einem der entlegensten und extremsten Orte der Erde an einem Forschungsprojekt teilzunehmen, das den Weg für zukünftige Weltraumerkundungen ebnen wird?

Nähere Informationen und ESA-Ausschreibung unter:

>>>www.diepresse.com/doktorantarktika

Fragen und Bewerbung an:

>>>Concordia@esa.int

Homepage der Basis (auf Französisch):

>>>http://www.institut-polaire.fr/ipev/bases_et_navires/station_concordia_dome_c

Ein Blog von Concordia (auf Englisch):

>>> http://blogs.esa.int/concordia/

Ein Prost vom südlichen Ende der Welt:

Beginn der Überwinterung, Februar 2012
Beginn der Überwinterung, Februar 2012 IPEV/PNRA-D. Romano

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